Vorsorgevollmacht und Formen der Erwachsenenvertretung
Dr. Florian Leitinger LL.M., Jänner 2023
Oft wenden sich Mandanten an unsere Kanzlei, die Unterstützung im Bereich des Erwachsenenschutzrechts benötigen.
Dabei geht es im Wesentlichen um die Sicherstellung der Vertretung für volljährige Personen, die we-gen einer psychischen Krankheit oder einer ähnlichen Beeinträchtigung nicht nahe Entscheidungen selbst treffen können.
Für die Bewerkstelligung einer derartigen Situation gibt es in Österreich mehrere rechtliche Möglichkeiten.
Vorsorgevollmacht
Zuallererst möchten wir die Vorsorgevollmacht hervorheben.
Schließlich ist sie das Mittel, das es einem ermöglicht, bereits Vorkehrungen für eine derartige Situa-tion zu treffen und Bereiche zu definieren, bei denen man die spezielle Unterstützung durch einen ausgesuchten Vorsorgebevollmächtigten definiert.
Die Vorsorgevollmacht bietet die größtmögliche Form der Selbstbestimmung. In gewissen Situationen raten wir aber auch von Vorsorgevollmachten ab; beispielsweise, wenn sich ein familieninterner Streit bereits abzeichnet und man daher nicht auf die Berichtspflicht des zukünftigen Erwachsenenvertre-ters an das Gericht und damit auch die gerichtliche Kontrolle verzichten möchte.
Die Vorsorgevollmacht muss schriftlich bei einem Rechtsanwalt oder einem Notar – oder in einfachen Fällen – bei einem Erwachsenenschutzverein errichtet werden.
Von der Richtung der Vorsorgevollmacht zu unterscheiden ist der Beginn ihrer Wirksamkeit. Die Vorsorgevollmacht wird mit der Eintragung des Eintritts des Vorsorgefalls wirksam. Das ist jener Zeitpunkt, in dem die Person die Entscheidungsfähigkeit in den Angelegenheiten verliert, für die sie vorgesorgt hat. Die Vorsorgevollmacht wird wirksam, wenn der Vorsorgefall eintritt und dieser Umstand im Österreichischen zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) eingetragen wird. Da der Verlust der Entscheidungsfähigkeit bescheinigt werden muss, ist dafür die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses notwendig.
Unsere Kanzlei unterstützt regelmäßig Mandanten bei der Erstellung von Vorsorgevollmachten. Zu Beginn einer derartigen Beratungstätigkeit steht ein ausführliches Aufklärungsgespräch, bei dem es darum geht, aufzuklären über die Rechtsfolgen einer Vorsorgevollmacht sowie die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufes, der zu seiner Wirksamkeit dem Bevollmächtigten zugehen muss. Dabei machen wir insbesondere darauf aufmerksam, dass die Einsetzung eines Vorsorgebevollmächtigten in aller Regel die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters ersetzt und der Bevollmächtigte – anders als ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter – nicht vom Gericht überwacht wird. Wir haben dabei auch darauf hinzuweisen, dass auf Anfrage den Gerichten und bestimmten anderen Stellen Einsicht in das Österreichische zentrale Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) zu gewähren ist.
Österreichisches zentrales Vertretungsverzeichnis
Im Österreichischen zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) werden alle Vertretungs- und Verfügungsarten des Erwachsenenschutzrechts registriert. Rechtsanwälte, Notare, Erwachsenenschutz-vereine und Gerichte können entsprechend dem gesetzlichen Vorgaben die Registrierungen im Österreichischen zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) vornehmen.
Im Österreichischen zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) können auch positive und negative Erwachsenenvertreter-Verfügungen sowie ein Vorab-Widerspruch gegen eine gesetzliche Erwach-senenvertretung eingetragen werden.
Erwachsenenvertretung
Neben der Vorsorgevollmacht gibt es seit dem Inkrafttreten der Reform des Erwachsenenschutz-rechts mit 1.Juli 2018 noch weitere Vertretungsarten:
1. die gewählte Erwachsenenvertretung
2. die gesetzliche Erwachsenenvertretung
3. die gerichtliche Erwachsenenvertretung
Auf die einzelnen Vertretungsarten wird in der Folge noch kurz eingegangen, damit wir einen Über-blick bieten können.
Mit der Erwachsenenvertretung beschreibt der Gesetzgeber jene Art der Vertretung, die zuvor als Sachwalterschaft allgemein bekannt war. Seit der Reform des Erwachsenenschutzrechts gibt es un-terschiedliche Formen der Erwachsenenvertretung.
Der Gesetzgeber hat sich für dieses Modell entschieden, da er damit sicherstellen wollte, dass die Ver-tretung nur in jenen Bereichen erfolgt, in denen sie auch tatsächlich unbedingt erforderlich ist. Schließlich soll eine Erwachsenenvertretung immer die Ausnahme sein. Dem Gesetzgeber ging es dabei darum, zu verhindern, dass bei der Bestellung eines Erwachsenenvertreters (vormals Sachwalters) sämtliche Vertretungsbefugnisse einer Person mit einem Schritt erheblich eingeschränkt wer-den.
Ad 1.) Die gewählte Erwachsenenvertretung ist für all jene Fälle gedacht, in denen nicht rechtzeitig vorgesorgt wurde (werden konnte). Bei dieser im Jahr 2018 neu eingeführten Vertretungsform kann im Unterschied zur Vorsorgevollmacht auch unter bestimmten Voraussetzungen eine nicht mehr voll handlungsfähige Person noch einen gewählten Erwachsenenvertreter für sich bestimmen. Für die gewählte Erwachsenenvertretung ist es notwendig, dass der gewählte Erwachsenenvertreter und die vertretene Person eine schriftliche Vereinbarung schließen. Diese schriftliche Vereinbarung muss von einem Rechtsanwalt, Notar oder Erwachsenenschutzverein errichtet werden. Die gewählte Erwach-senenvertretung wird mit der Eintragung in das Österreichische zentrale Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) wirksam.
Ad 2.) Die gesetzliche Erwachsenenvertretung besteht für jene Fälle, in denen keine Vorsorgevoll-macht oder gewählte Erwachsenenvertretung mehr möglich ist. Dieses Rechtsinstrument trug vor der Umbenennung im Jahr 2018 den Namen Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger. Die gesetzliche Erwachsenenvertretung muss im Österreichischen zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) einge-tragen werden. Zu diesem Zweck muss die zu vertretende Person und der nächste Angehörige, der die gesetzliche Erwachsenenvertretung übernehmen möchte, einen Rechtsanwalt, Notar oder Er-wachsenenschutzverein aufsuchen. Die gesetzliche Erwachsenenvertretung wird mit der Eintragung in das Österreichische zentrale Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) wirksam.
Ad 3.) Die gerichtliche Erwachsenenvertretung löst die zuvor bestehende Sachwalterschaft ab. Sie ist nur für jene Fälle vorgesehen, in denen keine der anderen Vertretungsformen möglich ist. Dabei ist an jene Fälle zu denken, in denen keine Angehörigen für eine Vertretung zur Verfügung stehen oder, wenn besonders komplexe Angelegenheiten zu erledigen sind, die etwa rechtlichen Beistand erfor-derlich machen.
Die in unserer Kanzlei tätigen Rechtsanwälte sind auch regelmäßig als gerichtliche Erwachsenenver-treter tätig. Dabei handelt es sich um solche Fälle, in denen ein Erwachsenenvertreter mit einer juristischen Ausbildung benötigt wird (beispielsweise zur Führung von Prozessen und Verfahren, zur Schuldenregulierung, etc).
Davon zu unterscheiden sind Fälle, in denen ein Erwachsenenvertreter mit einer sozialpädagogischen oder psychologischen Ausbildung benötigt wird. Wir begrüßen diese (nun beispielsweise auch vom Obersten Gerichtshof (OGH) in der Entscheidung 1 Ob 41/22v vom 20.4.2022 hervorgestrichene) Unterscheidung zwischen einzelnen Tätigkeitsbereichen und Arten von Erwachsenenvertretern. Die derartige Herangehensweise an diese Form der Unterstützung volljähriger Personen berücksichtigt nämlich, dass es besondere Bedürfnisse von Betroffenen gibt, auf die bestmöglich eingegangen werden muss. Rechtsanwälte erbringen im Bereich der Bestellungen zum gerichtlichen Erwachsenenver-treter vielfach kostenlose oder gering honorierte Tätigkeiten, die Menschen in besonderen Ausnah-mesituationen helfen sollen. Zusätzlich braucht es aber auch besonders geschulte sozialpädagogisch und/oder psychologisch geschulte Fachkräfte, die in die Erwachsenenvertretung der Betroffenen miteinbezogen werden.
Für die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist – wie es der Name schon zum Ausdruck bringt – das Gericht zuständig. Das Gericht bestellt den gerichtlichen Erwachsenenvertreter mit einer schriftlichen Entscheidung (einem Beschluss). Zuvor werden die Voraussetzungen in einem gerichtlichen Verfahren geklärt, das aus mehreren Schritten besteht.
Wirkungsbereiche der Erwachsenenvertretung
Welche Wirkungsbereiche können von einer Erwachsenenvertretung umfasst sein?
• Vertretung in Verwaltungsverfahren oder gegenüber Behörden (zum Beispiel Anträge auf Pflegegeld oder Wohnbeihilfe)
• Vertretung in gerichtlichen Verfahren (zum Beispiel in einem Zivilprozess, Schuldenregulie-rungsverfahren)
• Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten (zum Beispiel Verfügungen ge-genüber einer Bank)
• Abschluss von Rechtsgeschäften zur Deckung des Pflege- und Betreuungsbedarfes (zum Bei-spiel der Kauf eines Pflegebettes, die Anstellung einer Pflegekraft oder der Abschluss eines Heimvertrages)
• Entscheidungen medizinischer Behandlungen und der Abschluss von damit im Zusammen-hang stehenden Verträgen (zum Beispiel im Zusammenhang mit der Zustimmung einer Operation)
• Änderung des Wohnortes (zum Beispiel bei Übersiedelungen in ein Heim)
• Vertretungen anderer Personen bei rechtlichen Angelegenheiten (zum Beispiel Scheidung)
• Abschluss von oben nicht genannten Rechtsgeschäften (zum Beispiel Kauf eines Autos)
Wir legen in unserer Arbeit als Rechtsanwälte Wert darauf, dass wir unsere Mandanten und den Personen, die wir als Erwachsenenvertreter unterstützen, in hohen Maßen Selbstbestimmung trotz der Stellvertretung zur Verfügung stellen. Wichtig ist es uns zu betonen, dass wir auch in unserer Funktion als Erwachsenenvertreter einer Verschwiegenheitspflicht unterliegen.
Wir sehen unsere Aufgaben als Erwachsenenvertreter darin, dass wir auf Basis unserer juristischen Ausbildung in Situationen unterstützend tätig sind, welche oft besondere Herausforderungen für die Person oder ihr familiäres Umfeld darstellen.
Beispiele aus unserer anwaltlichen Praxis sind hier,
• die erfolgreiche Schuldenregulierung im Wege einer Privatinsolvenz (Schuldenregulierungs-verfahren),
• die außergerichtliche Schuldenregulierung- und Tilgung,
• der Verkauf eines Einfamilienhauses, für das der Betroffene, nachdem er zum Pflegefall wurde, nicht mehr selbst sorgen konnte,
• die Sicherstellung von erforderlicher Hauskrankenpflege oder
• die Bewerkstelligung eines Wohnortwechsels in ein Pflegeheim.
Gerne unterstützen wir Sie bei Ihren Anliegen im Zusammenhang mit dem Bereich des Erwachse-nenschutzrechts.