Ehenichtigkeitsverfahren vor dem Diözesangericht

Dr. Florian Leitinger LL.M.
Mag. Stefanie Obmann, BA, Juni 2023

In vielen Fällen erfolgen Eheschließung nicht nur vor dem Standesamt, sondern auch vor Gott. Die Ehe wird damit nicht nur zivilrechtlich, sondern auch kirchlich eingegangen.

Aus Sicht der römisch-katholischen Kirche besteht die standesamtlich geschlossene Ehe mit ihren staatlichen Rechtswirkungen und die kirchlich geschlossene Ehe unabhängig nebeneinander. Dies hat zur Folge, dass eine zivilrechtliche Ehescheidung grundsätzlich nichts am Fortbestand der kirchlich geschlossenen Ehe ändert. Eine neue kirchliche Eheschließung kommt somit wegen des lebenslangen Fortbestehens der eingegangen kirchlichen Ehe nicht in Betracht.

Scheitert eine Ehe und lassen sich die Eheleute scheiden, so ist es üblich, dass diese in den überwiegenden Fällen lediglich zivilrechtlich geschieden wird. Neben einer zivilrechtlichen Scheidung vor dem (staatlichen) Bezirksgericht gibt es jedoch auch die Möglichkeit, die Gültigkeit der Ehe in einem kirchlichen Verfahren überprüfen zu lassen und um die Auflösung des Ehebandes anzusuchen. Die Aufhebung einer Verpflichtung wird in Fachkreisen Dispens genannt.

Ziel der Auflösung oder Nichtigerklärung einer katholischen Ehe ist es häufig, dass ein (oder beide) vormalige(r) Ehepartner neuerlich kirchlich heiraten kann (können). Daneben gibt es auch Eheleute, die eine als falsch empfundene eheliche Bindung aufheben möchten.

In der Steiermark – dem Gebiet der Diözese Graz-Seckau – wenden sich im Jahr rund 80 Steierinnen und Steirer an das Grazer Diözesangericht, um ihre Ehe auch kirchlich auflösen zu lassen.

Dazu gibt es unter anderem das Verfahren zur Feststellung der Nichtigkeit der Ehe, wenn die Ehe aus rechtlichen Gründen nicht gültig zustande gekommen ist („Eheannullierung“).

Zuständig für die Durchführung eines kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahrens ist entweder das kirchliche Gericht der Diözese, in der der Trauungsort oder der Wohnsitz (Nebenwohnsitz) einer der beiden Parteien liegt, oder wahlweise dasjenige Diözesangericht, in dessen Bereich die meisten Zeugen wohnen.

Die Verfahrenskosten belaufen sich auf derzeit € 300,00 zuzüglich allfälliger Rechtsvertretungskosten und Barauslagen und sind von der antragstellenden Partei zu tragen.

Wer ein kirchliches Ehenichtigkeitsverfahren einleiten möchte, kann zunächst einmal in einem persönlichen Vorgespräch mit seinem Rechtsanwalt oder einem Mitarbeiter des bischöflichen Diözesangerichtes abklären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ehenichtigkeitsverfahrens gegeben sind. Im Zuge dieses Gespräches werden auch Hinweise und Anleitungen gegeben, um den Antrag auf Einleitung eines kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahrens zu stellen.

Vor der Einleitung eines kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahrens muss eine Wiederaufnahme des ehelichen Lebens unmöglich erscheinen. Das wird in der Regel nach Abschluss des zivilrechtlichen Scheidungsverfahrens vermutet.

Da beide Ehegatten in der Kirche als Gläubige (can. 204 Codex Iuris Canonici [CIC] 1983) Rechtsschutz genießen, wird die nichtantragstellende Partei über das angestrengte Ehenichtigkeitsverfahren informiert. Diese hat dieselben Rechte wie die antragstellende Partei. Sollte die nichtantragstellende Partei eine Mitwirkung am Verfahren ablehnen, verhindert dies den Fortgang des Verfahrens aber nicht.

Im Verfahren selbst wird vom bischöflichen Diözesangericht unter kirchenrechtlichen Gesichtspunkten geprüft, ob zum Zeitpunkt der Eheschließung überhaupt eine gültige Ehe zustande gekommen ist, ob also die Anforderungen für eine gültige Ehe vorgelegen sind.

Gegen diese Anforderungen verstoßen Braut oder Bräutigam im Falle des Ausschlusses der Unauflöslichkeit der Ehe. Dies ist – vereinfacht ausgedrückt – etwa dann der Fall, wenn einer der Partner schon im Zeitpunkt der kirchlichen Eheschließung zutiefst davon überzeugt ist, dass der Bund fürs Leben nicht unbedingt so lange halten muss; eine Scheidung also für den einen Ehepartner denkbar ist. Weiters, wenn ein Ehegatte für sich beschließt, keine Kinder haben zu wollen, ohne es dem Partner zu sagen.

Derartige Umstände und somit die Nichtigkeit der Ehe sind im kirchengerichtlichen Verfahren durch Zeugen oder Beweismittel wie Urkunden, Briefe, Fachgutachten etc zweifelsfrei nachzuweisen.

Es gibt keine mündliche Verhandlung, zu der alle Parteien und Zeugen gemeinsam erscheinen. Die Parteien und Zeugen werden jeweils einzeln befragt, die protokollierten Aussagen bilden die Grundlage für die spätere Entscheidung.

 

Das Verfahren endet mit Urteil, welches nach Ablauf der Rechtsmittelfrist von 15 Tagen ab Bekannt-machung des Urteiles rechtskräftig wird.

Nach Rechtskraft des Urteils haben die Parteien, deren Ehe für ungültig erklärt worden ist, das Recht zu einer neuerlichen kirchlichen Eheschließung.

Im Falle der Annullierung einer kirchlichen Ehe werden auch die daraus hervorgegangenen Kinder weiterhin als ehelich angesehen. Die Eheannullierung entfaltet innerkirchliche Auswirkungen. Sie tangiert staatliches Recht nicht.

Der Unterschied zur zivilrechtlichen Scheidung besteht darin, dass der Prozess nicht gegen den anderen Partner geführt wird, sondern gegen die gesetzliche kirchenrechtliche Annahme, die Ehe sei gültig. Diese Annahme wird von einem sog. Ehebandverteidiger im Verfahren vertreten. So ist im Zivil-recht, bei Willenseinigung der Parteien, auf Antrag eine einvernehmliche Scheidung möglich. Die Eheannullierung im kirchlichen Recht ist den Parteiwillen aber nicht zugänglich, sondern stellt rein darauf ab, ob die Ehe gültig ist oder ungültig geschlossen wurde und daher gar nicht erst zustande gekommen ist.

Von den geführten Ehenichtigkeitsverfahren vor dem Diözesangericht werden mehr als 90% auch tatsächlich aufgelöst, vorausgesetzt es gab zuvor eine zivilrechtliche Ehescheidung.

Gerne unterstützen wir Sie nicht nur bei Ihrer zivilrechtlichen Ehescheidung, sondern auch in einem kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahren vor dem Diözesangericht der Diözese Graz-Seckau. Dr. Florian Leitinger LL.M. wurde mit Dekret vom 25.04.2023 als Anwalt für Ehenichtigkeitsprozesse vor dem Diözesangericht Graz-Seckau zugelassen und ist daher befugt, auch im kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahren zu vertreten.

https://www.katholische-kirche-steiermark.at/portal/dioezese/ordinariat/dioezesangericht

 

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