Mag. Stefanie Obmann, BA, Juni 2023

Verteidigung in Jugendstrafsachen

Wenn Jugendliche oder junge Erwachsene mit dem Gesetz in Konflikt geraten, ist die Intention des Gesetzgebers in erster Linie, den Jugendlichen von weiteren Straftaten abzuhalten. Eingreifende Strafsanktionen, die das weitere Leben Jugendlicher und junger Erwachsener unangemessen beeinträchtigen, erachtet der Gesetzgeber als kontraproduktiv.

Um diesem Phänomen Rechnung zu tragen, führte der österreichische Gesetzgeber das Jugendgerichtsgesetz (JGG) ein. Das JGG will durch besondere materiell- und verfahrensrechtliche Bestimmungen Straftäter dazu bringen, dass diese ihr Handeln und dessen Auswirkungen begreifen.

Strafbar nach österreichischem Recht sind Jugendliche, die das 14. Lebensjahr bereits vollendet haben. Unmündige, das sind Personen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind nicht strafbar. Die Strafmündigkeit beginnt in Österreich daher erst mit jenem Tag, der auf dem 14. Geburtstag folgt.

Von einer Jugendstraftat spricht man, wenn der Jugendliche bei Begehung der Tat bereits das 16. Lebensjahr, nicht jedoch das 18. Lebensjahr vollendet hat. Von einer Tat eines jungen Erwachsenen spricht man hingegen, wenn der junge Erwachsene zum Tatzeitpunkt das 18. Lebensjahr, nicht jedoch das 21. Lebensjahr vollendet hat.

Die Regelungen des JGG sollen dazu dienen, den Jugendlichen von künftigen strafbaren Handlungen abzuhalten und ihm das Unrecht der Tat vor Augen zu führen. Das JGG ist daher geprägt von diversen Sanktionen, die ohne Verhängung einer Strafe auskommen.

Die mildeste Sanktion ist dabei das Absehen von der Verfolgung. Das Absehen von der Verfolgung im Sinne eines Verfolgungsverzichtes der Staatsanwaltschaft ist nur bei Jugendstraftaten möglich, die

• mit einer Geldstrafe oder mit einer Freiheitsstrafe bedroht sind, deren Höchstmaß fünf Jahre nicht übersteigt;
• nicht den Tod eines Menschen zur Folge hat;
• wenn es keiner weiteren Interventionsmaßnahme bedarf, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlung abzuhalten;
• und keine besonderen generalpräventiven Gründe dagegen sprechen.

Sofern die Voraussetzungen für das Absehen von der Strafverfolgung vorliegen, besteht für die Staatsanwaltschaft die Pflicht zur Abgabe des Verfolgungsverzichtes.

 

Die wohl wesentlichste und häufigste Beendigung des Strafverfahrens stellt die Diversion (gemeinnützige Leistungen, Geldbußen, Schadenswiedergutmachung) dar. Die allgemeinen Voraussetzungen für eine diversionelle Erledigung entsprechen jenen im Erwachsenenstrafrecht und sind
• der hinreichend geklärte Sachverhalt;
• kein schweres Verschulden und
• die grundsätzliche Verantwortungsübernahme.

Nach dem Suchtmittelgesetz (SMG) bestehen weitere Diversionsmöglichkeiten in Form von gesundheitsbezogenen Maßnahmen, die jedoch der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter bedürfen.

Als weitere Möglichkeit der Beendigung eines Jugendstrafverfahrens kommt der Schuldspruch ohne Strafe in Betracht. Diese Möglichkeit setzt voraus, dass wegen einer Jugendstraftat oder Straftat eines jungen Erwachsenen nur eine geringe Strafe (drei bis vier Monate Freiheitsstrafe) zu verhängen wäre und der Schuldspruch allein aus spezialpräventiven Gründen ausreicht, dem Beschuldigten von weiteren Straftaten abzuhalten. Hierbei wird der Jugendliche zwar schuldig gesprochen, es wird jedoch keine Strafe über ihn verhängt.

Eine weitere Reaktionsmöglichkeit ist der Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe. Voraussetzung hierfür ist, dass der Schuldspruch und die Androhung des Strafausspruches alleine oder in Verbindung mit weiteren Maßnahmen den spezialpräventiven Erfordernissen genügt, um den Jugendlichen oder jungen Erwachsenen von weiteren Straftaten abzuhalten. In diesem Fall wird der Ausspruch der Strafe vorbehalten, dies für eine Probezeit von einem bis zu drei Jahren. Sollte der Jugendliche oder junge Erwachsene in dieser Zeit neuerlich straffällig werden, kann die vorbehaltene Strafe auch nachträglich ausgesprochen werden.

Als strengste Sanktion gelten natürlich Geld- und Freiheitsstrafen. In Jugendstrafsachen sowie in Strafsachen gegen junge Erwachsene gelten jedoch geänderte Strafrahmen (gemäß § 5 Ziffer 2-5, 19 Abs 1 JGG).

Nicht nur in der Sanktionierung gibt es Besonderheiten in Jugendstrafsachen, auch im Verfahren selbst sind einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Beispielsweise

• ist auch der gesetzliche Vertreter Beteiligter am Strafverfahren. Dieser handelt in seinem eigenen Namen. Er ist daher nicht berechtigt, Anträge oder Erklärungen im Namen des Jugendlichen abzugeben oder dessen Erklärungen zu widerrufen. Die Rechte des gesetzlichen Vertreters bestehen eigenständig neben jenen des Beschuldigten;

• besteht in Jugendstrafsachen eine notwendige Verteidigung des Jugendlichen;

• ist jenes Gericht örtlich zuständig, in dessen Sprengel der Beschuldigte zur Zeit des Beginns des Strafverfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder hatte;

• ist in Schöffen- und Geschworenengerichtsverfahren eine besondere Gerichtsbesetzung zu beachten;

• können die Gerichte und Staatsanwaltschaften auch die Organe der Jugendgerichtshilfe mit Erhebungen zu den Lebens- und Familienverhältnissen des Jugendlichen und allen anderen Umständen betrauen;

• das Gericht hat die zu verurteilten Jugendlichen oder jungen Erwachsenen zusetzenden Kosten des Strafverfahrens jedoch ganz oder teilweise für uneinbringlich zu erklären, wenn die Verpflichtung zum Kostenersatz ein Fortkommen erschweren würde.

Vor allem im Bereich der Jugendstraftaten ist eine Verteidigung enorm wichtig, um den Jugendlichen oder jungen Erwachsenen vor den nachteiligen Folgen in einem Strafverfahren zu bewahren und eine möglichst günstige Erledigung in Form eines milden Urteils oder eines Freispruchs zu erreichen.

Sollten Sie oder Ihre Angehörigen mit einem (Jugend)Strafverfahren konfrontiert sein, beraten wir Sie im Anlassfall gerne über die rechtlichen Möglichkeiten und die zu erwartenden Konsequenzen. Je nach Bedarf begleiten wir Sie im Ermittlungsverfahren vor Polizei und Staatsanwaltschaft, im Hauptverhandlungsstadium oder auch in Rechtsmittelverfahren. Unser Anspruch sowie auch unser Ziel ist es, den Jugendlichen oder jungen Erwachsenen einerseits von künftigen strafbaren Handlungen abzuhalten sowie den Jugendlichen oder jungen Erwachsenen dahingehend zu unterstützen, eine möglichst milde Sanktion zu erreichen, um seinen weiteren Lebensweg nicht zu erschweren.

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