Künstliche Intelligenz und das österreichische Urheberrecht am Beispiel ChatGPT

Mag. Gregor Hiebl, Februar 2023

Einleitung und Begriffsbestimmungen
Um nach dem österreichischem Urheberrechtsgesetz (in der Folge Kurz „UrhG“) urheberrechtlichen Schutz als Werk zu genießen, muss eine sogenannte „eigentümliche geistige Schöpfung“ in den taxativen Werkkategorien der Literatur, der Tonkunst, der bildenden Künste oder der Filmkunst vorliegen.

Eigentümliche geistige Schöpfung

Eine eigentümliche geistige Schöpfung besteht darin, dass eine gewisse Individualität und Originalität vorhanden ist, die das Ergebnis der Persönlichkeit des Schöpfers ist. Trotz des einheitlichen Werkbegriffs ist keine besondere sogenannte Werkhöhe für eine der Werkarten erforderlich.
Es ist nicht der körperliche Gegenstand (zum Beispiel ein Buch), sondern der dahinterliegende geistige Prozess (die Kreativität), der geschützt ist. Um diesen Schutz zu erlangen, muss dieser geistige Prozess jedoch eine körperliche Form erlangen, so dass er für die Außenwelt wahrnehmbar ist. Ein-fache Gedankengänge (zum Beispiel Geschäftsideen), die noch nicht konkretisiert und für die Öffent-lichkeit nicht wahrnehmbar sind, genießen keinen urheberrechtlichen Schutz.

Werkarten

Das UrhG bezieht sich auf Werke aus den Bereichen

• Literatur,
• Tonkunst,
• bildende Künste,
• Film.
Was genau als Werk gilt, ist in den §§ 1 bis 4 UrhG gesetzlich definiert und die Rechtsprechung handhabt die Einordnung in einer dieser Kategorien eher großzügig.
Wenn ein Werk jedoch nicht in eine dieser Kategorien eingestuft werden kann, besteht kein urheber-rechtlicher Schutz. In diesem Fall kann jedoch möglicherweise über die Leistungsschutzrechte oder verwandte Schutzrechte (§§ 66 ff UrhG) Schutz bestehen.
Zu den Werken der Literatur, die urheberrechtlichen Schutz genießen, gehören Romane, Kurzge-schichten, Biografien, Drehbücher, Vorträge, Reden, Artikel in Zeitungen und Zeitschriften, Zitate und Slogans (sofern sie einen abgeschlossenen Gedankengang darstellen), unter bestimmten Bedingungen juristische Verträge und Tagebücher, Computerprogramme, choreographische und pantomimische Bühnenstücke.
Als Werke der bildenden Künste gelten beispielsweise Bauwerke, Gemälde, Skulpturen, Kunstinstal-lationen, Lichtbilder (Fotografien), sowie Entwürfe, Pläne und Modelle aus der Baukunst und Werke aus der angewandten Kunst. Diese können in bestimmten Fällen auch als Muster (Design) geschützt werden.
Tonkunstwerke umfassen Musikstücke wie Lieder, Opern, Arien, moderne Popmusik sowie andere Kompositionen, einschließlich Handyklingeltöne.
Zu den geschützten Filmwerken gehören Filme jeder Art. Geschützt sind daher Dokumentarfilme, Kurzfilme, Spielfilme, Zeichentrickfilme und animierte Filme.

Was ist Chat GPT?

Chat GPT ist eine Technologie für künstliche Intelligenz (KI) und Natural Language Processing (NLP), die von OpenAI entwickelt wurde.
OpenAI ist ein privates Unternehmen, das im Jahr 2015 gegründet wurde. Es hat seinen Hauptsitz in San Francisco, Kalifornien, USA. Die Gründung von OpenAI wurde von einigen der bekanntesten Persönlichkeiten im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) initiiert, darunter Elon Musk, Sam Altman, Greg Brockman, Ilya Sutskever und John Schulman.
Ursprünglich als Non-Profit-Organisation gegründet, hat sich OpenAI 2019 in eine kommerzielles Unternehmen umgewandelt, um schneller und effektiver an der Entwicklung von KI zu arbeiten. Das Unternehmen wird derzeit von einer Gruppe von Investoren unterstützt, darunter unter anderem Microsoft.
OpenAI hat einige der fortschrittlichsten KI-Systeme der Welt entwickelt, darunter GPT-3 (Generative Pretrained Transformer 3), DALLE (Drawing Attention-based Learned Language Encoder). Diese Systeme haben Anwendungen in Bereichen wie der Sprachgenerierung, der Erkennung von Bildern und dem maschinellen Lernen.
Bei Chat GPT handelt sich hierbei um ein generatives Transformer-Modell, das auf großen Datenmengen trainiert wurde und in der Lage ist, menschenähnliche Texte zu generieren. Chat GPT kann beispielsweise für automatisierte Chatbots, Texterstellung, Übersetzungen oder zur Antwortgenerie-rung verwendet werden. Es hat eine hohe Genauigkeit in der Verarbeitung von Sprache und kann dadurch eine Vielzahl an Aufgaben ausführen, die früher nur von Menschen übernommen werden konnten.

 

Kann ein von Chat GPT generierter Text urheberrechtlichen Schutz genießen?

Grundsätzlich wäre ein Text, der von Chat GPT generiert wurde, unter die Werkart der literarischen Werke einzuordnen.

Wie bereits eingangs festgehalten, definiert das österreichische Urheberrechtsgesetz in § 1 Abs 1, dass ein Werk eine eigentümliche geistige Schöpfung des Urhebers sein muss. Gemäß herrschender Meinung können nur natürliche Personen als Urheber in Frage kommen:

Kusznier schließt eine „Nachahmung durch seelenlose Maschinen, wie zB Roboter“ als Werk aus. Laut Ciresa ist keine Schutzfähigkeit gegeben, wenn es sich um eine Schöpfung handelt, die ohne menschliches Eingreifen entsteht. Hierbei bezieht er sich auf rein deterministische Prozesse. Im Falle von Werken, die durch Zufall erstellt werden (sogenannte aleatorische Werke), sieht Ciresa ebenfalls keine Schutzfähigkeit. Daher würde ein primär durch Zufall gesteuerter Schöpfungsprozess der künstlichen Intelligenz laut Ciresa einer Schutzfähigkeit im Wege stehen.
Es bleibt jedoch unklar, ob es eine dritte Möglichkeit gibt, die eine Schutzfähigkeit ermöglicht, und die sowohl Zufall als auch Determinismus miteinbezieht.
Das Argument, dass das Urheberrecht auf einer persönlichkeitsrechtlichen Begründung basiert, findet sich daher sowohl bei Ciresa und Kusznier, aber diese Argumentation ist möglicherweise nicht ausreichend, um den neuen Gelegenheiten gerecht zu werden.

Lauber-Rönsberg wiederrum argumentiert, dass das bestehende deutsche Urheberrecht keine persönlichkeitsrechtliche Begründung für den Schutz von Computerprogrammen bietet. Dennoch schließt sie einen Schutz für computergenerierte Werke aufgrund von unionsrechtlichen Vorgaben aus.
Anzumerken ist an dieser Stelle, dass es noch keine Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) dazu gibt.

Zankl hingegen argumentiert, dass das Urheberrecht beim Programmierer des Computerprogramms liegt, welches das Werk erstellt hat. Hierbei zieht er eine Analogie zum Produkthaftungsgesetz, bei dem der Schöpfer eines schädigenden Produkts für die Schäden haftbar ist.
Im britischen „Copyright, Designs and Patents Act“ gibt es eine eigene Regelung für computergenerierte Werke, die besagt, dass die Person, die das notwendige Arrangement hergestellt hat, als Autor anzusehen ist.
Hetmank und Lauber-Rönsberg merken jedoch an, dass diese Regelung aus den sogenannten „Moral Rights“ ausgenommen ist und somit nur ein Leistungsschutzrecht darstellt.

Leistungsschutzrechte werden auch verwandte Schutzrechte genannt, weil es sich nicht um Urheberrechte im eigentlichen Sinn handelt. Im Wesentlichen erstrecken sich Leistungsschutzrechte auf die Werkvermittlung an ein Publikum. Geschützt ist also nicht ein Werk im Sinne einer eigentüm-lichen geistigen Schöpfung, sondern die Darbietung eines derartigen Werkes durch einen Künstler.

Zwischenfazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es derzeit in der Lehre eine Tendenz gegen den urheberrechtlichen Schutz von computergenerierten Werken gibt.
Der grundsätzliche Tenor lehnt einen Urheberrechtsschutz von Werken ab, die durch eine künstliche Intelligenz erstellt wurden. Es gibt jedoch gleichzeitig auch Gegenstimmen zu dieser Haltung. Recht-sprechung zu diesem Thema fehlt derzeit (noch).
Das österreichische Urheberrecht hat seine Schwierigkeiten, den Schutz von computergenerierten Werken zu gewährleisten, da es (derzeit noch) auf einen Menschen als Schöpfer eines Werks abstellt.
Wenn der Benutzer lediglich der Initiator der Schöpfung ist, ist sein Beitrag im Allgemeinen zu gering und der Beitrag des KI-Herstellers (in diesem Fall OpenAI) zu indirekt, um einen urheberrechtlichen Schutz rechtfertigen zu können.
In der Regel ist auch eine Miturheberschaft ausgeschlossen, da die Beiträge nicht voneinander zu trennen sind.
Wenn Mensch und Maschine jedoch zusammenarbeiten und der Mensch als Benutzer ein Mitschöpfer ist, hängt der Schutz von der Schöpfungshöhe des jeweiligen Beitrags ab.
Eine reine Aktivierung oder Auswahl aus von der Künstlichen Intelligenz vorgeschlagenen Alternativen rechtfertigt noch Schutz. Wenn der Benutzer einen ausreichenden Beitrag hat, während die Künstliche Intelligenz alleine nicht schutzfähig ist, kann der Benutzer das Urheberrecht am Gesamtwerk beanspruchen.
Wenn beide Beiträge eine ausreichende Schöpfungshöhe haben, handelt es sich um eine Bearbeitung durch die Künstliche Intelligenz und der Benutzer hat nur Anspruch auf das Urheberrecht für seinen Beitrag. Eine Sichtweise, dass das KI-System selbst das Originalwerk darstellt und der autonome Schöpfungsprozess die Bearbeitung ist, kann nicht unterstützt werden.
Theoretisch könnte es zukünftig ein eigenes Leistungsschutzrecht für Werke geben, die durch eine künstliche Intelligenz geschaffen wurden.

 

Experiment – Was sagt Chat GPT dazu?

Nachfolgend wird die Antwort der künstlichen Intelligenz auf den Input „Genießen Texte, die Chat GPT schafft, nun urheberrechtlichen Schutz? Argumentiere ausführlich und nachvollziehbar“ wiedergegeben:

Ja, Texte, die von Chat GPT geschrieben werden, können urheberrechtlichen Schutz genießen. Ur-heberrecht schützt die Schöpfung originaler Werke, die aus der Fantasie und Kreativität des Urhebers hervorgehen.
In diesem Sinne kann man argumentieren, dass die Texte, die von Chat GPT erstellt werden, als eine Art „Schöpfung“ anzusehen sind, die aus der Anwendung komplexer Algorithmen und einer enormen Menge an trainierten Daten resultiert.
Natürlich handelt es sich bei einem Chatbot wie Chat GPT nicht um einen menschlichen Urheber im traditionellen Sinne, aber das Urheberrecht schützt auch Werke, die durch maschinelle Prozesse erzeugt werden, sofern sie eine hinreichende Schöpfungshöhe aufweisen.
Ein Argument gegen den urheberrechtlichen Schutz für solche Texte könnte sein, dass sie nicht aus-reichend kreativ oder original sind, da sie auf bereits existierenden Daten und Algorithmen beruhen. Allerdings hat das Urheberrecht auch schon früher Fälle anerkannt, in denen ein Werk durch den Einsatz von Computern oder anderen Maschinen erzeugt wurde, und dennoch einen Schutz genoss.
In Bezug auf Chat GPT-Texte muss man sicherstellen, dass sie eine ausreichende Schöpfungshöhe aufweisen und nicht einfach eine bloße Wiedergabe bereits existierender Informationen sind. Wenn dies der Fall ist, könnten sie Anspruch auf urheberrechtlichen Schutz haben.
Zusammenfassend kann man sagen, dass es durchaus möglich ist, dass Texte, die von Chat GPT erzeugt werden, urheberrechtlichen Schutz genießen, abhängig von ihrer Schöpfungshöhe und Originalität.“

Nun, wie bereits ausgeführt, genießen derzeit nach dem geltenden österreichischem Recht keinen urheberrechtlichen Schutz.
Dies scheitert (derzeit noch) an dem Faktum, dass das österreichische Urheberrecht an dem „Schöpfer“ eines Werkes als natürliche Person anknüpft. Derzeit wird es nach der herrschenden Lehrmeinung so gesehen, dass nur natürliche Personen „eigentümliche geistige Schöpfung“ in den taxativen Werkkategorien der Literatur, der Tonkunst, der bildenden Künste oder der Filmkunst schaffen können.
Teilweise ist die Antwort von Chat GPT auch unrichtig, das österreichische Urheberrecht stellt gerade nicht auf eine gewisse Schöpfungshöhe ab. Trotz des einheitlichen Werkbegriffs ist keine besondere Werkhöhe für den Urheberrechtlichen Schutz eines Werkes erforderlich.

Ausblick
Wenngleich Chat GPT bereits – oben ersichtlich – durchaus brauchbare Antworten auf diffizile Fragen liefert, ist zu bedenken, dass sich diese Künstliche Intelligenz noch im Entwicklungsstadium befindet.
Es bleibt ungewiss, wie sich die Fähigkeiten der KI-Systeme weiterentwickeln werden. Die geltenden Rechtsvorschriften werden ohne Zweifel an diese Entwicklung anzupassen sein.
Diskussionen über die Rechtspersönlichkeit von selbstständigen Systemen sind zu erwarten. Auch die Bewertung menschlicher Kunstwerke könnte durch computergenerierte Werke beeinflusst werden. Eine steigende Konkurrenz durch KI-Systeme kann jedoch auch zu einer Zunahme der Zusammenarbeit zwischen Menschen und Künstlicher Intelligenz und damit zu noch größeren Herausforderungen bei der Abgrenzung führen.

Quellen:

Kusznier in Kucsko/Handig, urheber.recht² § 10 Rz 4.
Ciresa in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht § 1 Rz 26 (20. Lfg).
Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (250).
Zankl, Künstliche Intelligenz und Immaterialgüterrecht bei Computerkunst, ecolex 2019/3, 244 (246).
Sec. 9 (3) Copyright, Designs and Patents Act 1988 (Vereinigtes Königreich).
Hetmank/Lauber-Rönsberg, Künstliche Intelligenz – Herausforderungen für das Immaterialgüterrecht,
GRUR 2018, 574 (578).

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