Insolvenz und Strafrecht
Mag. Gregor Hiebl, Jänner 2023
Welche Strafen können im Zusammenhang mit einer Insolvenz drohen?
Wenn ein Unternehmer seine fälligen Zahlungen nicht mehr binnen angemessener Frist leisten kann, wird er zahlungsunfähig und es wird dann in gewissen Fällen entweder auf Eigenantrag oder auf Gläu-bigerantrag ein Insolvenzverfahren vor dem Landesgericht eröffnet. Das Vermögen des Schuldners wird dann durch einen Insolvenzverwalter liquidiert und unter allen Gläubigern gleichmäßig verteilt.
Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass dem Schuldner im Falle einer Insolvenz ein Strafverfahren droht. In diesem Artikel gehen wir drauf ein, was ein Schuldner im Falle einer unmittelbar drohenden Zahlungsunfähigkeit beachten sollte:
Um eine gleichmäßige Verteilung des Vermögens des Unternehmens unter allen Gläubigern zu ge-währleisten, enthält das österreichische Strafgesetzbuch (StGB) mehrere Strafbestimmungen, die es verbieten, Gläubiger absichtlich oder grob fahrlässig zu begünstigen oder zu benachteiligen. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn man Geschäftsführer einer Gesellschaft ist, die ein Unternehmen betreibt oder selbst Unternehmer ist.
Betrügerische Kida (§ 156 StGB)
Der Tatbestand der betrügerischen Krida dient dem Schutz von Gläubigern und kann nur von Perso-nen begangen werden, die mehr als zwei Gläubiger haben.
Wenn ein Schuldner absichtlich die Interessen seiner Gläubiger beeinträchtigt, begeht er das Delikt der betrügerischen Krida. Dafür kann eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren verhängt werden, falls ein Bestandteil des Vermögens verheimlicht, beiseitegeschafft, veräußert, beschädigt, eine nicht bestehende Verbindlichkeit vorschützt oder sonst das Vermögen verringert wird und dadurch die Befriedigung mindestens eines Gläubigers verhindert oder auch nur beeinträchtigt wird.
Verheimlichen kann zum Beispiel vorliegen, wenn das Vermögen im Ausland nicht angegeben wird oder eine erhaltene Liegenschaft nicht bekannt gegeben wird. Beiseiteschaffen kann zum Beispiel vorkommen, wenn ein Geschäftsführer erkennt, dass er seine Schulden nicht mehr begleichen kann und schnell sein Vermögen ins Ausland verbringt, um es vor der Verwertung durch die Gläubiger zu schützen oder auch Rückzahlungen von Gesellschafterdarlehen vornimmt, die eigentlich der Rück-zahlungssperre des Eigenkapitalersatzgesetzes (EKEG) unterliegen.
Wenn der Schaden, der durch die Tat entstanden ist, die Summe von € 300.000,00 übersteigt, er-höht sich das Strafmaß auf ein bis zehn Jahre Haft.
Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB)
Personen, die grob fahrlässig handeln, können ebenfalls im Zusammenhang mit einer Insolvenz einen Straftatbestand verwirklichen. Laut § 159 StGB ist es strafbar, wenn jemand:
• grob fahrlässig durch kridaträchtiges Verhalten seine Zahlungsunfähigkeit herbeiführt;
• in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit durch kridaträchtiges, grob fahrlässiges Verhalten die Befriedigung zumindest eines seiner Gläubiger vereitelt oder schmä-lert;
• wer grob fahrlässig durch kridaträchtiges Verhalten seine wirtschaftliche Lage so beeinträchtigt, dass Zahlungsunfähigkeit eingetreten wäre, wenn nicht von anderer Seite Maßnahmen oder Zuwendungen veranlasst worden wären.
In all diesen Fällen beträgt die Strafe grundsätzlich bis zu einem Jahr Freiheitsentzug oder eine Geld-strafe von bis zu 720 Tagessätzen. Wenn in den ersten beiden Fällen ein Befriedigungsausfall der Gläubiger von mehr als € 1.000.000,00 verwirklicht wird oder die Handlungen die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen schädigen (oder im letzten Fall geschädigt hätten), erhöht sich das Strafmaß auf bis zu zwei Jahre.
Unter kridaträchtigen Handlungen versteht man Verhaltensweisen, die entgegen den Grundsätzen des ordentlichen Wirtschaftens gesetzt werden, wie
• Zerstörung, Beschädigung, Unbrauchbarmachen, Verschleudern oder Verschenken des ganzen oder eines bedeutenden Bestandteils des Vermögens;
• Abschließen eines gewagten Geschäfts außerhalb des gewöhnlichen Wirtschaftsbetriebs oder das Ausgeben von übermäßig hohen Beträgen durch Wette oder Spiel;
• übermäßigen, mit den Vermögensverhältnissen oder der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwänden;
• keine oder sorgfaltslose Führung der Geschäftsbücher und Unterlassen sonstiger erforderlicher Kontrollmaßnahmen, die es ermöglichen würden, den Überblick über die wahre finanzielle Lage zu behalten;
• keine oder verspätete Erstellung von Jahresabschlüssen;
Bei allen Fällen des § 159 StGB ist es erforderlich, dass eine grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 6 Abs 3 StGB vorliegt. Das bedeutet, dass im Zusammenhang mit dem Schutz der Gläubiger eine ungewöhn-liche und auffällige Nachlässigkeit des Schuldners vorhanden sein muss (RIS-Justiz RS0129425). Es soll also nicht jedes Fehlverhalten strafbar sein, das im Nachhinein zu Zahlungsunfähigkeit oder Beein-trächtigung der Gläubigerinteressen geführt hat. Ein „normales“ unternehmerisches Risiko soll straffrei bleiben, deshalb ist die Strafbarkeit auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Dadurch wird Unterneh-mern ein größerer Handlungsspielraum gegeben, ohne dass sie wegen falscher Entscheidungen strafrechtlich verfolgt werden.
Begünstigung eines Gläubigers (§ 158 StGB)
Ein Geschäftsführer macht sich nicht nur strafbar, wenn er sich selbst begünstigt, sondern auch, wenn er einzelne seiner Gläubiger begünstigt. Im Sinne des § 158 StGB ist es strafbar, wenn ein Schuldner einen Gläubiger begünstigt und dadurch mindestens einen anderen Gläubiger benachteiligt, nachdem bereits Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. Das bedeutet vereinfacht, dass ein Schuldner einem Gläubiger seine Forderung zahlt, obwohl er bereits weiß, dass er die Forderungen der an-deren Gläubiger nicht mehr erfüllen kann. Durch dieses Verhalten werden die anderen Gläubiger ge-schädigt, da sie keine oder nur eine geringere Zahlung erhalten.
Strafbarkeit der Gläubiger im Falle einer Insolvenz (§ 156 & 157 StGB)
Nicht nur der Schuldner kann sich im Vorfeld einer Insolvenz strafbar machen, sondern auch die Gläubiger durch ihr Verhalten. Wenn ein Gläubiger einem Schuldner beispielsweise dabei hilft, sein Vermögen oder einen Teil davon zu verstecken, und dabei mit dem Vorsatz handelt, einen anderen Gläubiger zu schädigen, kann er als Beitragstäter der betrügerischer Krida des Schuldners nach § 156 StGB verfolgt werden.
Ein Gläubiger kann sich weiters strafbar machen, wenn er ohne Zustimmung des Schuldners einen Teil des Vermögens des Schuldners versteckt, entfernt, verkauft oder beschädigt oder ein nicht bestehendes Recht gegen das Vermögen des Schuldners geltend macht und dadurch die Befriedigung der Gläubiger oder zumindest eines Gläubigers verhindert oder verringert.
Weitere mögliche Delikte wie Betrug (§ 146 StGB), Untreue (§ 153 StGB) und Unterlassung der Abfuhr von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung (§ 153c StGB) und die Abgabe eines falschen Vermögensverzeichnisses (§ 292a StGB)
Neben den spezifischen Gläubigerschutzdelikten können im Zusammenhang mit einem Insolvenz-verfahren auch andere Straftaten verwirklicht werden.
Eine solche Straftat ist Betrug nach §146 StGB. Strafbar ist danach jemand, der durch Täuschung über Tatsachen eine Person dazu verleitet, eine Handlung, Duldung oder Unterlassung zu begehen, die gleichzeitig jemanden am Vermögen schädigt und den Täter unrechtmäßig bereichert, strafbar ist. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn ein Schuldner, obwohl er von seiner (drohenden) Zahlungsunfähigkeit weiß, eine Verpflichtung eingeht, von der auszugehen ist, dass sie nicht erfüllt werden kann.
Ein weiteres Delikt, das im Zusammenhang mit einer Insolvenz relevant werden kann, ist das Delikt der Untreue gemäß § 153 StGB. Dieses Delikt liegt vor, wenn jemand seine Befugnis über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht, um jemand anderen am Vermögen zu schädigen. Insbe-sondere in einer (drohenden) Insolvenz kann es vorkommen, dass Organe einer Gesellschaft Kapital entziehen und dadurch die Gesellschaft und ihre Gläubiger schädigen. Für dieses Delikt ist es not-wendig, dass ein Schädigungsvorsatz besteht. Es bedarf jedoch keines Bereicherungsvorsatzes.
§ 153c StGB besagt, dass jemand, der in der Rolle eines Arbeitgebers Dienstnehmerbeiträge zur Sozi-alversicherung vorenthält, sich einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzt. Diese Bestimmung bezieht sich auf die Pflicht des Arbeitgebers, Beiträge für die Sozialversicherung seiner Angestellten abzuführen, wie zum Beispiel Krankenversicherung, Pensionen oder Arbeitslosenversicherung. Wenn ein Arbeitgeber diese Beiträge nicht abführt, obwohl er dazu verpflichtet ist, kann er sich des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen schuldig machen. Dieser Tatbestand ist oft erfüllt, wenn ein Arbeitgeber gar keine Beiträge an die Sozialversicherungsträger (oftmals ÖGK) mehr abgibt.
§ 292a StGB besagt, dass es strafbar ist, ein falsches Vermögensverzeichnis (vormals Eid) abzugeben. Ein Vermögensverzeichnis ist eine Aufstellung aller Vermögenswerte, die eine Person besitzt. Diese Aufstellung ist in bestimmten Situationen, wie beispielsweise bei einer Insolvenz aber auch bereits bei der Exekution von Gesetzes wegen verpflichtend abzugeben.
Wer in diesem Zusammenhang vorsätzlich ein falsches Vermögensverzeichnis abgibt, in dem er bei-spielsweise Vermögenswerte verschweigt oder falsch darstellt, macht sich gemäß §292a StGB strafbar. Dieses Delikt kann sowohl als Versuch als auch als Vollendung verfolgt werden und ist grundsätz-lich mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe bedroht.
§ 160 StGB regelt die Strafbarkeit von bestimmten Handlungen im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren. Unter Absatz 1 werden drei verschiedene Arten von Verstößen aufgeführt, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen bestraft werden können. Ziffer 1 besagt, dass es strafbar ist, eine nicht berechtigte Forderung oder eine Forderung in einem nicht berechtigten Umfang oder Rang geltend zu machen, um dadurch einen unangemessenen Einfluss im Insolvenzverfahren zu erlangen. Ziffer 2 besagt, dass es strafbar ist, wenn ein Gläubiger für die Ausübung seines Stimmrechts in einem bestimmten Sinne oder für das Unterlassen der Ausübung seines Stimmrechts für sich oder einen Dritten einen Vermögensvorteil annimmt oder sich versprechen lässt und auch wer einem Gläubiger zu diesem Zweck einen Vermögensvorteil gewährt oder verspricht. Ziffer 3 besagt, dass es strafbar ist, wenn ein Gläubiger für die Zustimmung zum Abschluss eines Sanierungsplans ohne Zustimmung der übrigen Gläubiger für sich oder einen Dritten einen Sondervorteil annimmt oder sich versprechen lässt und auch wer einem Gläubiger zu diesem Zweck einen Sondervorteil gewährt oder verspricht. § 160 Absatz 2 besagt, dass es ebenfalls strafbar ist, wenn eine zur Geschäftsaufsicht bestellte Person, der Insolvenzverwalter und ein Mitglied des Gläubigerausschusses im Insolvenzverfahren für sich oder einen Dritten zum Nachteil der Gläubiger einen ihnen nicht gebührenden Vermögensvorteil annehmen oder sich versprechen lassen.
Tätige Reue (§ 167 StGB)
Bei den angeführten Gläubigerschutzdelikten aber auch beim Betrug und der Untreue besteht die Möglichkeit, dass ein Täter aufgrund von tätiger Reue nach § 167 StGB straffrei wird. Dies setzt voraus, dass der durch die Tat verursachte Schaden vollständig wiedergutgemacht wurde oder sich der Täter verpflichtet hat, dies zu tun, und diese Verpflichtung auch erfüllt hat. Straffreiheit kann nur eintreten, bevor eine Strafverfolgungsbehörde von dem Verschulden erfährt. Auch durch Selbstanzeige und Schadenersatz kann Straffreiheit erlangt werden, selbst wenn jemand im Namen des Schuldners den Schaden begleicht.
Fazit
Es ist von großer Wichtigkeit frühzeitig professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen, sobald man erkennt, dass sich das eigene Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten befindet. Dies kann dazu beitragen, mögliche strafrechtliche Verantwortungen zu vermeiden und die Situation effektiver zu handhaben. Besonders die ersten Schritte nachdem man erkannt hat, dass man möglicherweise in Zahlungsschwierigkeiten kommt, können von großer Bedeutung für das gesamte Verfahren sein.
Wir können Sie mit unserer Erfahrung im Insolvenzrecht, aber auch im Wirtschaftsstrafrecht nicht nur im Zusammenhang mit einer strafrechtlichen Verfolgung, sondern auch als Schuldnervertreter im Insolvenzverfahren unterstützen.