Mag. Isabel Fuchs, März 2024

Höhe des Pflegevermächtnisses

Unter welchen Voraussetzungen das gesetzliche Pflegevermächtnis iSd § 677 ABGB zusteht, wird in dem Artikel „Pflegevermächtnis“ ausführlich erläutert. Zudem stellt sich die Frage der Höhe des gesetzlichen Pflegevermächtnisses iSd § 678 ABGB, welche der OGH in einer rezenten Entscheidung zu beantworten hatte.

Zugrundeliegender Sachverhalt

Die Klägerin (Lebensgefährtin des Erblassers) begehrte gegen die Beklagten (Söhne des Erblassers) eine Zahlung iHv € 40.000, wobei ein Stundensatz von € 14,00 für erbrachte Pflegeleistungen angenommen wurde. Die Klägerin versorgte den wegen einer Gehirnerkrankung pflegebedürftigen Erblasser während der letzten drei Jahre vor dessen Tod im Ausmaß von etwa sieben Stunden pro Tag. Die Pflegeleistungen umfassten unter anderem das An- und Auskleiden, die Körperpflege und die Versorgung mit Lebensmitteln als auch Medikamenten. Das monatliche Pflegegeld iHv € 1.285 floss der Klägerin in Form eines Entgelts zu. Zudem wurde ihr ein Wohnungsgebrauchsrecht als teilweise Abgeltung eingeräumt.

Der OGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob eine Vereinbarung, welche eine Abgeltung der Pflegeleistungen enthält, zwischen pflegender Person und Erblasser einem Pflegevermächtnis entgegensteht.

Weiters wurde die Bemessung der Höhe von Pflegevermächtnissen thematisiert.

Einzelfallbezogene Bemessung der Höhe

Grundsätzlich richtet sich die Höhe des Pflegevermächtnisses iSd § 678 ABGB nach Art, Dauer und Umfang der Leistungen sowie nach dem verschafften Nutzen. Der Wert der Verlassenschaft ist nicht zu berücksichtigen. Eine bestimmte Bemessungsgrundlage sieht das Gesetz nicht vor.

Die Bemessung der Höhe des Pflegevermächtnisses ist einzelfallabhängig. Hierbei ist iSd $ 678 Abs 1 ABGB die Art der Tätigkeit sowie die Qualität der Pflege (etwa die Erbringung durch facheinschlägig ausgebildete Angehörige oder durch „Laien“) zu beachten. Eine Orientierungsgröße für die Angemessenheit eines Stundensatzes stellen die Mindestlohntarife für im Haushalt Beschäftigte dar, welche Mindestlöhne für unterschiedliche Beschäftigungen enthalten.

 

Bei den Mindestlohntarifen handelt es sich um Brutto-Tarife, sohin ist bei der Ermittlung der Höhe des Pflegevermächtnisses ein gewisser Abschlag zu berücksichtigen, um den dem Berechtigten zufließenden Betrag einschätzen zu können. Zudem ist zu beachten, dass der Mindestlohntarif Ansprüche auf ein 13. und 14. Monatsgehalt sowie Zuschläge vorsieht und nach Berufsiahren differenziert. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände sowie des Umfangs, der Dauer und der Art der erbrachten Leistungen ist ein angemessener Stundensatz zu ermitteln. Dies erfolgt nach richterlichem Ermessen.

Kurze Anmerkung zum oben dargelegten Sachverhalt: Der Klägerin wurde ein Stundensatz iHv € 14,00 aufgrund der Intensität der Pflege zugesprochen.

Aufzahlung des Differenzbetrages

Der OGH hielt fest: Wurde eine Gegenleistung für erbrachte oder noch zu erbringende Pflegeleistungen vereinbart und entspricht dessen Höhe nicht der errechneten Höhe des Pflegevermächtnisses iSd § 678 Abs 1 ABGB, steht das Pflegevermächtnis in Höhe des Differenzbetrages dem Berechtigten zu.

Außerdem kann ein gesetzliches Pflegevermächtnis weder durch Vereinbarung verringert noch ausgeschlossen werden und hat ,pflichtteilsähnlichen Charakter“ „Pflichtteilsähnlichkeit“ wird angenommen, da das Pflegevermächtnis wie auch der Pflichtteil einen erbrechtlichen Anspruch begründet.

 

Zusammenfassung

Gerne steht Ihnen die Kanzlei Dr. Leitinger & Dr. Leitinger Rechtsanwälte GmbH bei Fragen zu diesbezüglichen Angelegenheiten zur Verfügung.

 

Quelle:

OGH 2 Ob 63/21k, 24.06.2021.

Wir beraten
Sie gerne!
Termin vereinbaren