Ehescheidung - ein Verfahrensüberblick
Mag. Stefanie Obmann, BA, Mai 2022
In Österreich wurden im Jahr 2020 36,9% der Ehen geschieden. Die Ehescheidung stellt dementsprechend ein in Beratungsgesprächen häufig behandeltes Thema dar.
Allgemeinen unterscheidet man zwischen strittigen Scheidungen und der einvernehmlichen Scheidung. Österreich ist eines der wenigen Länder, in dem noch eine Ehescheidung aus Verschulden möglich ist. Das bedeutet, dass die Ehe aus dem (überwiegenden) Verschulden eines Ehegatten an der Zerrüttung der Ehe oder aus dem gleichteiligen Verschulden beider Ehegatten geschieden wird.
Für das Scheidungsverfahren ist das Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel die Parteien ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zuletzt gehabt haben, sofern eine Partei noch dort wohnhaft ist. Ansonsten ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Sprengel der gewöhnliche Aufenthalt der beklagten Partei oder, falls ein solcher gewöhnlicher Aufenthalt im Inland fehlt, der gewöhnliche Aufenthalt der klagenden Partei liegt. Bei einvernehmlichen Ehescheidungen ist eine Zuständigkeitsvereinbarung möglich.
Die einvernehmliche Scheidung
Die einvernehmliche Scheidung kann mit einem gemeinsamen Antrag beider Parteien bei Gericht eingeleitet werden. Voraussetzungen hierfür sind, dass die eheliche Lebensgemeinschaft seit einem halben Jahr aufgehoben ist, beide Parteien die unheilbare Zerrüttung der Ehe zugestehen, beide die Scheidung wünschen, eine Scheidungsfolgenvereinbarung, die die relevante Scheidungsfolgen im Einvernehmen regelt, vorgelegt wird und, falls die Parteien minderjährige Kinder haben, Beratungsbestätigungen über eine Elternberatung gemäß § 95 Abs 1a AußStrG vorgewiesen werden können.
Die verpflichtende Scheidungsfolgenvereinbarung hat die Obsorge für die minderjährigen Kinder, die hauptsächliche Betreuung der Kinder, das Kontaktrecht zum nicht betreuenden Elternteil, den Kindesunterhalt, den Ehegattenunterhalt sowie wechselseitige vermögensrechtliche Ansprüche der Ehegatten zu regeln.
Regelungen in Bezug auf den Ehegattenunterhalt sowie wechselseitige vermögensrechtliche Ansprüche der Ehegatten werden mit dem gerichtlichen Scheidungsvergleich bindend festgelegt und sind nachträglich nicht mehr abänderbar. Scheidungsfolgenvereinbarungen im Zuge der einvernehmlichen Ehescheidung können daher insbesondere für den schlechter verdienenden Ehegatten weitreichende und existenzbedrohende Folgen haben.
Das strittige Scheidungsverfahren
Das strittige Scheidungsverfahren wird durch eine Klage auf Ehescheidung eingeleitet und kann als Scheidung aus Verschulden, wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft, oder „aus anderen Gründen“ (ehezerrüttendes Verhalten ohne Verschulden, ansteckende oder ekelerregende Krankheiten) geführt werden. Im Zuge eines strittigen Scheidungsverfahrens werden Beweise über das eheliche Zusammenleben und sämtliche Eheverfehlungen der Parteien erhoben. Eine strittige Scheidungsverhandlung kann daher mitunter Jahre dauern. Die Scheidungsverhandlung ist im Gegensatz zu anderen Zivilverfahren nicht öffentlich.
Das strittige Scheidungsverfahren endet mit einem Urteil, das (im besten Fall) die Ehe der Streitteile für geschieden erklärt und entweder das (überwiegende) Verschulden eines der Ehegatten an der Zerrüttung der Ehe oder das gleichteilige Verschulden beider Ehegatten ausspricht. Nach dem Verschuldensausspruch richtet sich auch der Kostenersatz im Verfahren sowie der nacheheliche Unterhalt. Das Urteil hat für die obsiegende Partei im positiven Sinne, für die unterliegende Partei im negativen Sinne weitreichende Folgen, insbesondere in Bezug auf den nachehelichen Unterhalt, die Witwenpension und die Verfahrenskosten.
Nach Beendigung eines strittigen Ehescheidungsverfahrens ist in den meisten Fällen – falls keine vergleichsweise Einigung erzielt werden kann – ein Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Vermögens und die ehelichen Ersparnisse sowie ein Verfahren über die Festsetzung des Ehegattenunterhalts und/oder des Kindesunterhalts erforderlich.
Zusammenfassend ist bei Ehescheidungen zur Vermeidung von folgenschweren Entscheidungen und damit einhergehenden Nachteilen, unabhängig davon, ob es sich um eine strittige oder einvernehmliche Scheidung handelt, die Beiziehung eines Rechtsanwalts in Form eines Beratungsgesprächs, der Vertretung im strittigen Scheidungsverfahren oder im Zuge der Errichtung oder Überprüfung einer Scheidungsfolgenvereinbarung jedenfalls anzuraten. Wir unterstützen Sie in der herausfordernden Situation einer bevorstehenden Scheidung gerne und stehen Ihnen mit rechtlichem Rat zur Seite.
Quellen:
https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bevoelkerung/ehescheidungen/index.html (zuletzt abgerufen am 24.05.2022)
Nademleinsky, Scheidung (Stand 12.5.2022, Lexis Briefings in lexis360.at) (zuletzt abgerufen am 24.05.2022)