Mag. Ramon Schober, Jänner 2023
Durchsetzung von Gewährleistungs- rechten aus der Perspektive des KFZ-Kaufs samt Informationen über Rechtslage nach dem GRUG
Unsere Kanzlei wird von vielen Mandanten kontaktiert, die sich Problemen nach einem KFZ-Kauf gegenübersehen.
Im Wesentlichen geht es dabei um Mängel, welche nach dem Kauf des KFZ offenbar werden.
Beispielsweise bemerkt der Verbraucher auf der Heimfahrt mit dem „neuen“ Gebrauchtwagen, dass das Getriebe beim Schalten vom 3. in den 4. Gang ein ungewöhnlich starkes Geräusch von sich gibt, oder am nächsten Morgen hat sich unter dem Schnäppchen des Vortages eine Öllacke gebildet.
Oder Sie sind Unternehmer und finden sich mit ungerechtfertigten Gewährleistungsforderungen konfrontiert. Der Kunde möchte nun ein stark verbessertes KFZ haben oder begehrt die Behebung leichter oder sonstiger nicht vorhandener Mängel und stützt seine Forderungen auf das Gewährleis-tungsrecht. Beispielsweise möchte er neue Sitze oder neue Felgen.
Wenn Sie ein Geschäftsinhaber sind, der mit ungerechtfertigten Garantieansprüchen konfrontiert wird, oder wenn Sie ein Verbraucher sind, der ein mangelhaftes Produkt gekauft hat und seine Garan-tieansprüche durchsetzen möchte.
Unsere Rechtsanwaltskanzlei steht Ihnen zu diesen Fragen gerne zur Beratung und Durchsetzung oder der Abwehr von Ansprüchen zur Verfügung.
Rechtsgrundlagen und Anwendungsbereich
Die Rechtsgrundlage für das allgemeine Gewährleistungsrecht war bisher in den §§ 922 – 933 ABGB geregelt und galt für alle entgeltlichen Verträge. Darüber hinaus gab es noch Sonderregelungen für spezielle Vertragstypen zB in den §§ 1397 ff ABGB für die entgeltliche Zession oder in § 1283 für den Erbschaftskauf. Verbrauchergeschäfte waren im KSchG geregelt.
Auf die neue Rechtslagen gehen wir weiter unten ein.
Gewährleistungsrelevanter Mangel
Grundlage für einen Gewährleistungsanspruch ist das Vorliegen eines Mangels. Zur Beurteilung, ob ein solcher vorliegt ist immer auf den Vertrag und den Vertragszweck abzustellen. Nach § 922 ABGB ist ein Mangel die Abweichung vom vertraglich Geschuldeten.
Um das Vorliegen eines Mangels beurteilen zu können, muss
• auf eigens bedungene Eigenschaften und/oder
• auf gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaften abgestellt werden.
Dabei kann dasselbe Kaufobjekt im einen Fall mangelhaft und im anderen Fall tauglich sein. Etwa wenn ein schrottreifes KFZ a) an einen Gebrauchtwagenkäufer und b) an einen Schrotthändler verkauft wird.
Mangelhafte Erbringung
Gewährleistungsansprüche des Übernehmers entstehen dann, wenn die erhaltene Leistung im Zeitpunkt ihrer Erbringung / Übergabe mit einem Mangel behaftet war.
Das Gesetz geht grundsätzlich davon aus, dass der Übernehmer beweisen muss, dass der Mangel bereits im Zeitpunkt der Übergabe vorhanden war. § 924 Satz 2 ABGB normiert allerdings eine sogenannte Vermutungsfrist von sechs Monaten, in denen es zu einer Beweislastumkehr kommt und der Übergeber beweisen muss, dass der Mangel nicht bereits bei der Übergabe vorhanden respektive angelegt war.
Im Verbrauchergeschäft zwischen dem Unternehmer als Übergeber und dem Verbraucher als Übernehmer kommt dabei eine verlängerte Vermutungsfrist von einem Jahr zur Anwendung (siehe unten).
Gewährleistungsbehelfe
Die vier gesetzlich normierten Gewährleistungsbehelfe (§ 932 ABGB) werden in zwei Gruppen eingeteilt:
• Primäre Gewährleistungsbehelfe
o Verbesserung (Nachbesserung oder Nachtrag des Fehlenden am ursprünglichen Erfüllungsort)
o Austausch
• Sekundäre Gewährleistungsbehelfe
o Preisminderung
o Rückabwicklung des Vertrages (bisher Wandlung)
Der Übernehmer kann zunächst nur die primären Gewährleistungsbehelfe fordern, der Umstieg auf die sekundären Gewährleistungsbehelfe ist nur möglich unter den unten bezeichneten Vorausset-zungen.
Neues Verbraucherschutzrecht nach dem GRUG
Das stark unionsrechtlich geprägte Verbraucherschutzrecht wird ständig weiterentwickelt und vereinheitlicht. Die regelmäßigen Fortschritte und die zunehmende Digitalisierung erfordern auch ständige Anpassungen der Gesetzgebung an das digitale Leben. Die neuesten EU-Richtlinien beziehen sich auf das Gewährleistungsrecht beim Kauf von Waren (Warenkauf-RL 2019/771) und bei der Bereitstellung digitaler Inhalte und Dienstleistungen (Digitale-Inhalte-Richtline 2019/770). Österreich musste beide Richtlinien bis zum 01.07.2021 umsetzen.
Der österreichische Gesetzgeber tat dies mit dem Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz (GRUG – BGBl 2021/175), mit dem das Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG) geschaffen sowie das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) und das Konsumentenschutzgestz (KSchG) geändert wurden. Die Neuerungen traten mit 01.01.2022 in Kraft.
Neben den oben genannten gewährleistungsrechtlichen Bestimmungen sind nun in gewissen Fällen auch diese Rechtsnormen anzuwenden.
Das Gewährleistungsrecht für Verbraucher
Ein Mangel, der gewährleistungsrelevant ist, muss im Zeitpunkt der Übergabe der beweglichen Sache – zB eines KFZ – vorliegen.
Das VGG geht wie schon das ABGB vom Vorliegen des Mangels bei der Übergabe oder Bereitstellung aus. Neu ist die verlängerte Vermutungsfrist, welche nunmehr ein Jahr – anstatt vorher sechs Monate – beträgt. Damit kommt es zu einer Beweislastumkehr in dieser Vermutungsfrist und der verkau-fende Unternehmer muss beweisen, dass der Mangel im Übergabezeitpunkt nicht vorlag.
Gemäß § 3 VGG handelt es sich bei den Regelungen des VGG um relativ zwingendes Recht, wodurch nicht zu Lasten des Verbrauchers von den Regelungen abgewichen werden darf. Ausgenommen hiervon sind Vereinbarungen, die nach der Verständigung des Unternehmers vom Mangel getroffen werden.
Wie das ABGB sieht auch das VGG eine Rangfolge der Gewährleistungsbehelfe (§ 12 VGG) vor, die dem Unternehmer eine „zweite Chance“ einräumen soll, den mangelfreien Zustand der Sache herzustellen. Zunächst kann sich der Verbraucher daher auf die primären Gewährleistungsbehelfe und nur subsidiär auf die sekundären Gewährleistungsbehelfe stützen.
Primäre Gewährleistungsbehelfe sind der Anspruch auf Verbesserung und der Anspruch auf Aus-tausch, wobei dem Verbraucher (beim Warenkauf) ein Wahlrecht zukommt.
Auf die sekundären Gewährleistungsbehelfe Preisminderung und Vertragsauflösung (bisher Wandlung) kann unter folgenden untenstehenden Voraussetzungen umgestiegen werden.
Anders als früher, ist es nun nicht mehr erforderlich das Vertragsauflösungsbegehren (früher Wandlungsbegehren) gerichtlich geltend zu machen. Auch eine direkte Geltendmachung beim Verkäufer ist ausreichend. Es besteht Formfreiheit.
Der Umstieg auf die sekundären Gewährleistungsbehelfe ist möglich:
Als Verbraucher
• bei dermaßen schwerwiegenden Mängeln, dass ein Vertrauensverlust eingetreten ist;
• bei der Weigerung des Unternehmers die Mängelbehebung durchzuführen;
• bei erheblichen Unannehmlichkeiten durch die Mängelbehebung;
• bei Scheitern oder Verzug der Mängelbehebung;
• bei Verstoß gegen Nebenpflichten bei der Mängelbehebung (Rücknahme, Montage);
• bei auftretenden Mängeln nach dem Mängelbehebungsversuch.
Als Unternehmer
• bei Unmöglichkeit der Mängelbehebung (faktisch);
• bei unverhältnismäßig hohem Aufwand der Mängelbehebung;
Unternehmer sind seit dem GRUG auch verpflichtet, Waren mit digitalen Elementen und digitale Leistungen aktuell zu halten. Diese Aktualisierungspflicht macht die Übergeber der Ware mit digitalen Elementen (beispielsweise einem Navigationsgerät im KFZ) dafür verantwortlich, dass Übernehmer notwendige Aktualisierungen erhalten, um die Übereinstimmung mit dem Vertrag zu gewährleisten.
Eine weitere augenscheinliche Änderung zur Rechtslage vor dem GRUG ist die Änderung der Begrifflichkeit des sekundären Gewährleistungsbehelfs der Wandlung in § 932 ABGB, diese wird durch die Terminologie Vertragsauflösung ersetzt.
Für Verbrauchergeschäfte wurden die eigenen Regelungen der §§ 7c und 7d KSchG geschaffen, wel-che sich von der allgemeinen Regel nach § 918 ABGB unterscheiden. Die (notwendige) Nachfristsetzung kann nicht mehr mit einer bedingten Rücktrittserklärung verbunden werden, stattdessen benötigt der Verbraucher zwei aufeinanderfolgende Erklärungen (Leistungsaufforderung mit Nachfrist, Rücktrittserklärung).
Unsere Kanzlei berät Sie gerne zu allen Fragen rund um das Gewährleistungsrecht.
Quellen:
Schoditsch in P.Bydlinski, Das neue Gewährleistungsrecht (2022) II. § 933b und GRUG
Kolmasch, Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz (Stand 08.3.2022, Lexis Briefings in lexis360.at)
Santangelo-Reif, Gewährleistung (Stand 07.9.2022, Lexis Briefings in lexis360.at)
Perner/Spitzer/Kodek, Bürgerliches Recht
Zankl, Zivilrecht 24 – Bürgerliches Recht im Überblick