Mag. Ramon Schober, November 2023

Diversion: Ein alternativer Weg im Strafverfahren

Unsere Rechtsanwaltskanzlei begegnet häufig Fällen, in denen Klienten nach einer strafrechtlichen Anschuldigung nach Möglichkeiten suchen, um eine formelle Verurteilung zu vermeiden. Eine solche Möglichkeit bietet die sogenannte Diversion, eine alternative Reaktionsmöglichkeit des Staates auf die Begehung von Straftaten, die in bestimmten Fällen anstelle eines förmlichen Strafverfahrens treten kann.

Was ist eine Diversion?

Diversion oder diversionelle Erledigung gemäß § 198 Strafprozessordnung (StPO) erlaubt es der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht, unter gewissen Voraussetzungen auf ein förmliches Strafverfahren zu verzichten.

Hierbei ist ein Geständnis nicht erforderlich, aber der Beschuldigte muss in gewissem Maße Verantwortung für die Tat übernehmen.

Die Diversion kann sowohl direkt von der Staatsanwaltschaft ohne Hauptverhandlung als auch vom Gericht während der Hauptverhandlung angeboten werden. Die Erfüllung der Diversion-Bedingungen führt zum Absehen von der weiteren Strafverfolgung​.

Voraussetzungen

Um als Erwachsener (das Jugendgerichtsgesetz sieht andere – weniger strenge – Voraussetzungen für eine diversionelle Erledigung vor) eine Diversion zu bekommen sind die folgenden Voraussetzungen zu erfüllen:

  • Der Sachverhalt muss hinreichend geklärt sein.
  • Eine Einstellung des Verfahrens nach den §§ 190 bis 192 StPO kommt nicht in Betracht.
  • Die Tat darf mit höchstens fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht sein. (Bei Sexualdelikten darf die Strafdrohung drei Jahre Freiheitsstrafe nicht überschreiten).
  • Die Tat darf nicht zum Tod eines Menschen geführt haben.
  • Die Schuld des Beschuldigten darf nicht schwer sein.
  • Eine Bestrafung ist nicht angezeigt, um den Beschuldigten von weiteren Taten abzuhalten (Spezialprävention).
  • Der Beschuldigte muss der diversionellen Erledigung zustimmen.

Hinreichend geklärter Sachverhalt und Verantwortungsübernahme

Die Staatsanwaltschaft muss, um ein Diversionsangebot zu machen, Anklage erheben können. Dazu ist es erforderlich, dass der Fall so eindeutig ist, dass eine Verurteilung des Angeklagten wahrscheinlicher (über 50 %) erscheint als ein Freispruch.

Anklagen, die im Zweifel erhoben werden, sind unzulässig. Es dürfen daher keine tatsächlichen oder rechtlichen Gründe vorliegen, wieso das Strafverfahren ohne diversionelle Erledigung und ohne Anklage beendet werden müsste (vgl §§ 190 bis 192 StPO).

Ein Geständnis des Beschuldigten ist nicht zwingend notwendig, jedoch ist es erforderlich, dass der Beschuldigte zumindest teilweise Verantwortung für die begangene Tat übernimmt.

Zum Verschulden

Für eine diversionelle Erledigung darf keine schwere Schuld vorliegen. Das wird am Schuldbegriff des § 32 Abs 1 StGB gemessen. Auch die in den §§ 33 und 34 StGB aufgezählten Erschwerungs- und Milderungsgründe sind heranzuziehen.

Im Grunde kommt es bei der Beurteilung der schweren Schuld darauf an, ob das übliche Maß an Schuld beim konkret vorgeworfenen Delikt überschritten wird oder nicht. Es kommt daher zu einer Durchschnittsbetrachtung.

Diversionelle Maßnahmen

  • Es gibt vier mögliche Varianten einer diversionellen Erledigung:
  • die Zahlung einer Geldbuße gemäß § 198 Abs 1 Z 1 iVm § 200 StPO;
  • die Erbringung gemeinnütziger Leistungen gemäß § 198 Abs 1 Z 2 iVm § 201 StPO;
  • die Bestimmung einer Probezeit unter Auflage der Bewährungshilfe gemäß § 198 Abs 1 Z 3 iVm § 203 StPO;
  • den Tatausgleich gemäß § 198 Abs 1 Z 4 iVm § 204 StPO.

Die weitaus am häufigsten verhängte diversionelle Erledigung ist die Bezahlung einer Geldbuße. Die verhängte Geldbuße darf gemäß § 200 Abs 2 StPO den Betrag nicht übersteigen, den eine Geldstrafe im Ausmaß von 180 Tagessätzen ausmachen würde.

Die Erbringung gemeinnütziger Leistungen ist vor allem dann angezeigt, wenn der Beschuldigte wenig Geld hat, denn die diversionelle Maßnahme soll vom Beschuldigten „gespürt“ werden, was bei der Bezahlung einer leistbaren Geldbuße nicht der Fall ist.

 

 

Daher werden bei solchen Beschuldigten oftmals gemeinnützige Leistungen angeordnet.

In manchen Fällen (vor allem bei Suchtproblematiken und anderen Themen der Lebensführung) macht die Verhängung einer Probezeit mit der Auflage der Bewährungshilfe Sinn, um den Beschuldigten wieder in geordnete Bahnen zu lenken.

Der Tatausgleich ist vor allem bei Streitigkeiten am Arbeitsplatz oder in der Familie ein gutes Mittel, denn dabei setzen sich Beschuldigter und Opfer unter Begleitung speziell geschulter Mitarbeiter des Vereins Neustart, der unter anderem auch die Bewährungshilfe abwickelt, miteinander auseinander, sodass ein weiteres zusammenleben, -arbeiten, -wohnen etc. möglich bleibt.

Die diversionellen Maßnahmen können nicht miteinander verbunden werden. Es kann daher nicht eine Geldbuße und die Anordnung der Bewährungshilfe gleichzeitig angeordnet werden.

 

Abwicklung

Bei einer diversionellen Erledigung wird vorläufig und nach Erbringung der auferlegten Maßnahme endgültig von der Strafverfolgung zurückgetreten.

Der Beschuldigte erhält keinen Eintrag im Strafregister und gilt weiterhin als unbescholten. Ausschließlich im Strafregister der Staatsanwaltschaften wird die diversionelle Maßnahme für 10 Jahre gespeichert, da die Diversion als „zweite Chance“ nicht mehrfach vergeben werden soll.

Ein weiterer Vorteil einer diversionellen Erledigung ist die schnelle Abwicklung und in vielen Fällen die Tatsache, dass keine Hauptverhandlung mit (möglicherweise unangenehmen) Zeugenaussagen oder dergleichen abgehalten werden muss.

Die notwendige Verantwortungsübernahme bedeutet kein Schuldeingeständnis und entfaltet auch für eventuelle zivilrechtliche Ansprüche keine Bindungswirkung (wie etwa ein strafrechtliches Urteil).

Es ist daher in vielen Fällen sehr sinnvoll einer angebotenen Diversion zuzustimmen.

Unsere Kanzlei berät Sie gerne zu allen Fragen rund um die Diversion und das Strafrecht im Allgemeinen.

Quellen:

Ehrbar, Diversion (Stand 05.7.2023, Lexis Briefings in lexis360.at)

Venier in Bertel/Venier , StPO: Kommentar2 zu § 198

Birklbauer/Schmid in Birklbauer/Haumer/Nimmervoll/Wess , StPO – Linzer Kommentar zur
Strafprozessordnung zu § 198 StPO

Wir beraten
Sie gerne!
Termin vereinbaren