Isabel Fuchs, Juni 2023

Die Verteidigung in Finanzstrafverfahren aus Sicht des Beschuldigten

Das Finanzstrafrecht schützt primär den Steuergläubiger. Demnach soll indirekt das Entstehen eines Wettbewerbsvorteils aufgrund unrichtiger bzw unvollständiger Angaben des Steuerpflichtigen an die Abgabenbehörde vermieden werden.

Was ist ein Finanzvergehen?

Ein Finanzvergehen bedeutet eine Pflichtverletzung des Abgabenrechts und eine daraus resultierende Abgabenverkürzung. Hierbei kommt es zu einer Missachtung der Offenlegungs-, Anzeige oder Wahrheitspflicht. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass zeitgerechte, vollständige und richtige Angaben an die Abgabenbehörde einer strafbaren Handlung vorbeugen. Praxisbeispiel: Ein Einzelunternehmer erfasst nicht alle erwirtschafteten Einkünfte aus einem Wirtschaftsjahr in seiner Buchhaltung. Dies ist bislang straffrei. Gibt der Einzelunternehmer aber folglich eine unrichtige bzw unvollständige Einkommensteuererklärung beim Finanzamt ab, so setzt er damit ein strafbares Verhalten.

Gesetzliche Grundlagen

Das Finanzstrafgesetz (FinStrG) normiert in §§ 33 bis 52 Finanzvergehen.
Hierunter fällt unter anderem die Abgabenhinterziehung iSd § 33 FinStrG. Der Tatbestand § 33 (2) lit b FinStrG wäre etwa erfüllt, wenn ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer geleistete Überstunden ,,schwarz‘‘ ausbezahlt. Der Tatbestand des Schmuggels iSd § 35 FinStrG wäre bspw gegeben, wenn Waren in der Höhe eines bestimmten Wertes aus einem Nicht-EU-Staat in die EU, ohne dies dem Zoll zu melden, eingeführt werden. Außerdem können finanzstrafrechtliche Vergehen auch das Kriminalstrafrecht betreffen, wie etwa Untreue iSd § 153 StGB oder Bilanzdelikte iSd §§ 163a ff StGB.

Zuständigkeit für das Verfahren

Je nach Schwere eines Finanzvergehens, kann es entweder zu einem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren oder zu einem gerichtlichen Finanzstrafverfahren kommen. Dies richtet sich nach der Höhe des Wertbetrages, an dem sich auch die Strafdrohung orientiert. Während für das verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren §§ 56 bis 194e FinStrG Anwendungen finden, sind für das gerichtliche Finanzstrafverfahren §§ 195 bis 245 FinStG sowie die StPO einschlägig. Eine klare Abgrenzung kann auch dahingehend gezogen werden, dass gerichtlich nur vorsätzliche Finanzvergehen strafbar sind.

Verteidigung und Koordination

Je früher die Verteidigung in Finanzstrafverfahren beginnt, desto erfolgsversprechender ist sie. Sohin sollte eine effektive Verteidigung bereits im Abgabenverfahren und nicht erst im Ermittlungsverfahren ansetzen. Dies bezweckt eine frühzeitige Feststellung von potenziellen strafbaren Handlungen des Abgabepflichtigen und die rechtzeitige Mitwirkung des Verteidigers bzw eine Kooperation zwischen Verteidiger und Steuerberater. Die wichtige Rolle des Steuerberaters manifestiert sich auch im Verfahren. Im gerichtlichen Finanzstrafverfahrens können nämlich nicht nur Maßnahmen gegen den Abgabepflichtigen gesetzt werden, sondern, unter bestimmten Voraussetzungen, auch gegen den Steuerberater, wie etwa Durchsuchungen von Kanzleiräumlichkeiten.

Strafen

Das FinStrG beinhaltet ein Geldsummenstrafsystem. Die Höhe der Geldstrafe hängt davon ab, in welcher Höhe Abgaben aufgrund der erfolgten Angaben verkürzt wurden. Primär sind Geldstrafen vorgesehen. Zu einer Freiheitsstrafe kommt es in der Regel sekundär, jedoch gibt es Ausnahmen wie etwa bei Abgabenbetrug iSd § 39 FinStrG oder bei grenzüberschreitenden Umsatzsteuerbetrug iSd § 40 FinStrG, welche primär eine Freiheitsstrafe vorsehen.

Selbstanzeige iSd § 29 FinStrG

Einen praktisch enorm bedeutenden Strafaufhebungsgrund stellt die Selbstanzeige iSd § 29 FinStrG dar. Wird eine Selbstanzeige getätigt, kann die Strafbarkeit iSd des Gesetzes entfallen. Jedoch erfordert die Wirksamkeit einer Selbstanzeige die Einhaltung der im § 29 FinStrG genannten Voraussetzungen. Hierunter fällt die Darlegung der Verfehlung bei der richtigen Behörde, Offenlegung der für die Feststellung der Verkürzung bedeutsamen Umstände, Täternennung, die Entrichtung der verkürzten Abgaben entsprechend den gesetzlichen Vorschriften und Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige. Die Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige liegt dann vor, wenn keine Betretung auf frischer Tat stattgefunden hat und noch keine Verfolgungshandlungen gesetzt wurden.

Quelle: Kier/Wess (Hrsg), Handbuch Strafverteidigung (2022) 683 ff.

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