Mag. Ramon Schober, Februar 2024

Die Anfechtung von Rechtshandlungen in der EO

Hintergrund der Regelung über Anfechtungen in der Exekutionsordnung

 

Das österreichische Recht bietet mit dem Anfechtungsrecht in der Insolvenzordnung und der Exekutionsordnung ein wichtiges Instrumentarium, um die Gerechtigkeit und Fairness im Vollstreckungsverfahren zu wahren.

 

Dieses Recht ermöglicht es, bestimmte Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder während eines Exekutionsverfahrens oder davor getätigt wurden, anzufechten, wenn sie die Interessen der Gläubiger beeinträchtigen.

In der Exekutionsordnung ist die Anfechtung besonders relevant, da sie dazu dient, die Rechte der Gläubiger zu schützen und sicherzustellen, dass die Vermögensverteilung bei einer Zwangsvollstreckung gerecht erfolgt.

 

Ein zentraler Aspekt hierbei ist die Anfechtung von Liegenschaftsveräußerungen. Diese kann notwendig werden, wenn eine Liegenschaft kurz vor oder während des Exekutionsverfahrens unter Wert verkauft oder übertragen wird, was die Befriedigung der Gläubigeransprüche potenziell untergraben könnte.

 

 

 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Anfechtung der Einräumung eines grundbücherlichen Belastungs- und Veräußerungsverbots. Solche Verbote können dazu führen, dass das betroffene Grundstück nicht für die Schuldenbegleichung im Rahmen der Exekution verwendet werden kann.

 

Die Anfechtung solcher Verbote dient daher der Wahrung der Gläubigerinteressen und der Gerechtigkeit im Vollstreckungsverfahren.

 

Mit der Gesamtreform des Exekutionsrechts im Jahr 2021, der sogenannten GREx, wurde die ehemalige Anfechtungsordnung (AnfO) nahezu unverändert in den fünften Teil der Exekutionsordnung (EO) übernommen.

 

 

Nun sind die Anfechtungsregeln in den §§ 438 – 453 der EO geregelt.

 

Im Zuge der Reform wurde – neben sprachlichen Neuformulierungen – auch die Terminologie an jene der Insolvenzordnung (IO) angepasst.

 

Die bisherige Lehre wie auch die Rechtsprechung zur Anfechtungsordnung kann grundsätzlich weiterhin Verwendung finden.

 

Die zentrale Bestimmung der Anfechtung in der EO ist § 439 EO, der im Wesentlichen dem ehemaligen § 2 AnfO entspricht:

  • 439 EO:

 

Anfechtbar sind

  1. alle Rechtshandlungen, die der Schuldner in der dem anderen Teil bekannten Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, in den letzten zehn Jahren vor der Anfechtung vorgenommen hat;
  2. alle Rechtshandlungen, durch welche die Gläubiger des Schuldners benachteiligt werden und die dieser in den letzten zwei Jahren vor der Anfechtung vorgenommen hat, wenn dem anderen Teil die Benachteiligungsabsicht bekannt sein musste;
  3. alle Rechtshandlungen, durch welche die Gläubiger des Schuldners benachteiligt werden und die er in den letzten zwei Jahren vor der Anfechtung gegenüber seinem Ehegatten oder eingetragenen Partner – vor oder während der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft – oder gegenüber anderen nahen Angehörigen gemäß § 32 IO oder zugunsten der genannten Personen vorgenommen hat, es sei denn, dass dem anderen Teil zur Zeit der Vornahme der Rechtshandlung eine Benachteiligungsabsicht des Schuldners weder bekannt war noch bekannt sein musste;
  4. die im letzten Jahr vor der Anfechtung vom Schuldner eingegangenen Kauf-, Tausch- und Lieferungsverträge, sofern der andere Teil in dem Geschäft eine die Gläubiger benachteiligende Vermögensverschleuderung erkannte oder erkennen musste.

 

Bei allen Anfechtungstatbeständen müssen sowohl die Befriedigungstauglichkeit als auch konkrete Gläubigerbenachteiligung vorliegen. Das Gesetz normiert diverse Fristen innerhalb derer die Anfechtung zu erfolgen hat.

Die einzelnen Anfechtungstatbestände im Überblick

1. Dolus Pauliana (vorsätzliche Benachteiligung)

 

Eine Anfechtung nach diesem Tatbestand zielt auf Rechtshandlungen des Schuldners ab, die innerhalb der letzten zehn Jahre vorsätzlich vorgenommen wurden, um mindestens einen Gläubiger zu benachteiligen.

 

Die Absicht zur Gläubigerbenachteiligung muss dem Anfechtungsgegner bekannt gewesen sein. Die Feststellung der Benachteiligungsabsicht ist eine Voraussetzung für die Prüfung des Kenntnisstandes des Anfechtungsgegners.

 

Der Anfechtungswerber trägt die Beweislast für die Benachteiligungsabsicht des Schuldners und deren Kenntnis beim Anfechtungsgegner. Bei vorsätzlichem Zusammenwirken haften Schuldner und Anfechtungsgegner solidarisch für den verursachten Schaden.

 

 

 

 

2. Culpa Pauliana (Fahrlässige Benachteiligung)

 

Diese Form der Anfechtung bezieht sich auf Rechtshandlungen des Schuldners innerhalb der letzten zwei Jahre, die zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt haben. Der Anfechtungsgegner muss von der Benachteiligungsabsicht zumindest leicht fahrlässig keine Kenntnis gehabt haben.

 

Eine tatsächliche konkrete Gläubigerbenachteiligung muss eingetreten sein.

 

3. Familienpauliana

 

Ähnlich wie bei der Culpa Pauliana, jedoch mit dem Unterschied, dass die Benachteiligungsabsicht und deren (Un-)Kenntnis nicht vom Kläger bewiesen werden müssen.

 

Innerhalb des Kreises naher Angehöriger – in der Legaldefinition des § 32 IO – ist die Anfechtung nur unzulässig, wenn dem Anfechtungsgegner die Benachteiligungsabsicht nicht bekannt war oder bekannt sein musste. Es erfolgt eine Beweislastumkehr, bei der der nahe Angehörige beweisen muss, dass keine Kenntnis der Benachteiligungsabsicht vorlag.

 

Ein non liquet, also wenn das Gericht aufgrund mangelnder Beweise keine eindeutigen Feststellungen treffen kann, geht zu Lasten des Anfechtungsgegners.

 

Die Beweislastumkehr greift nur innerhalb der Zweijahresfrist. Davor liegende Rechtshandlungen können unter bestimmten Umständen nach dem Tatbestand der Dolus Pauliana angefochten werden. Diese Beweislastumkehr erstreckt sich nicht auf konkurrierende Schadenersatzansprüche.

4. Vermögensverschleuderung

 

Dies betrifft im letzten Jahr vor der Anfechtung eingegangene Kauf-, Tausch- und Lieferungsverträge des Schuldners, wenn der Anfechtungsgegner die benachteiligende Vermögensverschleuderung erkannt hat oder hätte erkennen müssen.

 

Für nahe Angehörige wird aufgrund einer planwidrigen Gesetzeslücke in der herrschenden Ansicht eine Beweislastumkehr angenommen, ähnlich wie bei der Familienpauliana.

 

Zur Anfechtung von Einzelverkäufen im gewerblichen Betrieb des Schuldners finden sich spezifische Regelungen in § 441 EO.

Zusammenfassung

Im Kontext der anwaltlichen Tätigkeit spielt die Kenntnis und Anwendung dieser Anfechtungsregeln eine zentrale Rolle.

Durch die exekutionsrechtlichen Anfechtungen kann die Vollstreckungen eines rechtskräftigen Titels trotz einer vordergründigen Vermögenssituation, die eine Exekution nicht zulässt, umgesetzt werden.

Dadurch ist es ein Stück weit besser möglich jene Gerechtigkeit zu erlangen, die ein Gericht (durch den rechtskräftigen Exekutionstitel) herstellen wollte.

Gerne steht Ihnen unsere Kanzlei bei der Exekutionsführung und gegebenenfalls auch der Anfechtung von Rechtshandlungen zur Verfügung.

 

Quellen:

Meisinger in Deixler-Hübner, Exekutionsordnung zu § 439 EO

Meisinger in Deixler-Hübner, Exekutionsordnung vor §§ 438 ff EO

Mini, Exekutionsverfahren (Stand 22.8.2023, Lexis Briefings in lexis360.at)

Mohr in Mohr/Pimmer/Schneider, EO17 § 439

RIS-Justiz RS0050727

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