Isabel Fuchs, November 2023

Aufgriffsrechte im Insolvenzfall eines GmbH-Gesellschafters

Der GmbH-Geschäftsanteil und der Grundsatz der freien Übertragbarkeit

Leistet ein GmbH-Gesellschafter eine Stammeinlage, erhält er im Gegenzug einen Geschäftsanteil iSd §§ 75 ff GmbHG an der GmbH. Dieser umfasst die Gesamtheit aller Rechte und Pflichten eines Gesellschafters aus dem Gesellschaftsverhältnis, wie etwa das Auskunfts- oder das Stimmrecht sowie die Pflicht zur Leistung einer Einlage oder die Treuepflicht. Die Größe des Geschäftsanteiles richtet sich nach der erbrachten Stammeinlage, während sich der Wert an dem möglich erzielbaren Preis orientiert.

Grundsätzlich gilt für die Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteiles der Grundsatz der freien Übertragbarkeit iSd § 76 GmbHG, wonach eine Übertragung für den GmbH-Gesellschafter mittels Rechtsgeschäftes unter Lebenden als auch von Todeswegen frei möglich sein soll. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes sieht § 76 Abs 2 GmbHG lediglich in der Pflicht eines Notariatsaktes für die Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteiles. Hiermit wird vor allem der Schutz des Erwerbers bezweckt. Demnach soll der Notar dem potenziellen Erwerber über mögliche Risiken informieren und einem übereilten Tätigwerden vorbeugen.

Aufgriffsrechte

Abweichende Vereinbarungen des Gesellschafters können den Grundsatz der freien Übertragbarkeit von GmbH-Geschäftsanteilen einschränken. Hierzu gehören etwa Aufgriffsrechte (oder auch: Vorerwerbsrecht oder Erwerbsvorrecht). Dieser Begriff wird sehr weit auslegt, da es bisher keine gesetzlich klar normierte Definition gibt. Der Gesellschafter verpflichtet sich zur Übertragung seines GmbH-Geschäftsanteiles an einen Berechtigten, sobald ein bestimmtes vereinbartes Ereignis (,,Aufgriffsfall‘‘) eintritt und erhält im Gegenzug eine Abfindung (,,Aufgriffspreis‘‘). Beispielsweise kann im Insolvenzfall der Berechtigte den GmbH-Geschäftsanteil ,,aufgreifen‘‘, wodurch dieser nicht Teil der Insolvenzmasse wird. Der Aufgriffsfall kann frei definiert werden. Ebenso kann der Aufgriffspreis vorweg bestimmt werden. Ist dies nicht der Fall, so ist ein angemessener Preis, der sog. Verkehrswert, zu leisten. Eine derartige Regelung bezweckt vor allem den Schutz der Gesellschaft vor unerwünschten außenstehenden Personen sowie die Absicherung eines geschlossenen Gesellschafterkreises.

Das Aufgriffsrecht im Insolvenzfall eines GmbH-Gesellschafter iSd Rechtssprechung des OGH

Ein Insolvenzverfahren ist auf Antrag bei Zahlungsunfähigkeit oder – sofern es sich um eine juristische Person, Kapitalgesellschaft oder Verlassenschaft handelt – bei Überschuldung zu eröffnen. Eine Zahlungsunfähigkeit iSd Judikatur bedeutet, dass ,,ein dauernder Mangel an Zahlungsmitteln’’ vorliegt und der Schuldner sohin mehr als 5 % seiner Verbindlichkeiten zum Fälligkeitszeitpunkt nicht bezahlen kann. Von einer Überschuldung wird dann gesprochen, wenn die Passiva die Aktiva übersteigen und in Zukunft mittels Fortbestehungsprognose nicht von einer Zahlungsfähigkeit des Schuldners ausgegangen werden kann.

In einer rezenten Entscheidung des OGH (OGH 16.09.2020, 6 Ob 64/20k) konnte der bisherigen Unklarheit über die Zulässigkeit von Aufgriffsrechten im Falle einer Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines GmbH-Gesellschafters ein Ende gesetzt werden. Der OGH hält fest, dass gesellschaftsvertragliche Aufgriffsrechte prinzipiell im Insolvenzfalls eines GmbH-Gesellschafters zulässig sind. Einerseits müssen derartige Regelungen für das freiwillige Ausscheiden und das Ableben eines Gesellschafters sowie andererseits für die Exekution bzw Insolvenz als Aufgriffsfall gleichbehandelt werden. Dies vor allem vor dem Hintergrund des Gläubigerschutzes.

Eine Abfindungsbeschränkung unter dem Verkehrswert des Geschäftsanteils im Insolvenzfall des GmbH-Gesellschafters ist iSd der Rechtsprechung des OGH nur zulässig, wenn sie nicht nur in diesem Fall greift, sondern für jede Konstellation des freiwilligen und des unfreiwilligen Ausscheidens des Gesellschafters gilt.

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