Abstammungs- verfahren und „Vätertausch“

Mag.Stefanie Obmann, BA, Jänner 2023

Die Abstammung wird in den §§ 140 ff des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) geregelt.

Gemäß § 143 ABGB ist die Mutter eines Kindes immer jene Frau, die das Kind geboren hat. So wäre beispielsweise auch eine Leihmutter – die trotz des Verbotes der Leihmutterschaft in Österreich ein Kind zur Welt bringt – in rechtlicher Hinsicht die Mutter dieses Kindes. Das unabhängig davon, wer die biologische Mutter ist. Eine Änderung der Mutterschaft ist ausgeschlossen. Abhilfe könnte diesfalls lediglich die Adoption schaffen.

Als Vater des Kindes gilt gemäß § 144 ABGB der Mann, der entweder im Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet ist oder als Ehemann der Mutter nicht früher als 300 Tage vor der Geburt des Kindes verstorben ist. Weiters kann die Vaterschaft durch Anerkennung oder durch gerichtliche Feststellung begründet werden.

Die Anerkennung einer Vaterschaft wird nur rechtswirksam, wenn noch kein Vater feststeht. Steht zum Zeitpunkt der Anerkennung bereits die Vaterschaft eines anderen Mannes fest, so wird das Anerkenntnis erst rechtswirksam, sobald mit allgemein verbindlicher Wirkung festgestellt ist, dass der andere Mann nicht der Vater des betreffenden Kindes ist.

Das Gesetz sieht neben dem Vaterschaftsanerkenntnis mehrere Möglichkeiten zur gerichtlichen Feststellung der Abstammung oder Nichtabstammung vor:

Gerichtliche Feststellung der Vaterschaft nach § 148 ABGB

Beispiel: Kevin und dessen Mutter Maria wissen, dass Viktor Kevins Vater ist. Viktor wurde weder in der Geburtsurkunde als Vater eingetragen, noch hat er ein Vaterschaftsanerkenntnis abgegeben. Auch sonst steht kein Mann als Vater von Kevin fest.

Sowohl Kevin als auch Viktor können daher (wenn das Kind noch minderjährig ist, vertreten durch den gesetzlichen Vertreter) einen Antrag auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft gemäß § 148 ABGB stellen.

Das Kind als Antragsteller hat wahlweise zwei Möglichkeiten. Es kann entweder den positiven Vaterschaftsbeweis in Form eines DNA-Gutachtens durch einen Sachverständigen erbringen – dieses wird als unumgängliches Beweismittel meist von Amts wegen eingeholt – oder beweisen, dass der Antragsgegner der Mutter in der Empfängniszeit beigewohnt hat oder diese mit dessen Samen inseminiert wurde.

Der Mann als Antragsteller hat jedenfalls den positiven Vaterschaftsnachweis zu erbringen. Dazu muss das Gericht zur Überzeugung gelangen, dass das Kind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom betreffenden Mann abstammt, also mit seinem Samen (gleich ob durch natürliche oder künstliche Insemination) gezeugt wurde. Dies kann mittels DNA-Untersuchung mit der erforderlichen Zuverlässigkeit nachgewiesen werden. Die Einholung eines DNA-Gutachtens ist daher nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig unverzichtbar.

„Vätertausch“ gemäß § 150 ABGB

Beispiel: Der mittlerweile erwachsene Kevin weiß, dass Bill, der in seiner Geburtsurkunde als Vater eingetragen ist und mit seiner Mutter verheiratet war, nicht sein biologischer Vater ist. Der Kontakt ist vor Jahren abgebrochen. Aufgrund von Gerüchten in seinem Bekanntenkreis kommt ihm zu Ohren, dass Viktor sein biologischer Vater sein könnte. Die Ähnlichkeit zwischen Kevin und Viktor ist verblüffend. Kevin möchte nunmehr seine tatsächliche Abstammung feststellen lassen.

Im gegenständlichen Fall ist das sogenannte „Vätertauschverfahren“ gemäß § 150 ABGB zu beantragen, mit dem die Feststellung der wahren Vaterschaft unter gleichzeitiger Beseitigung der bisher bestehenden Vaterschaft in einem Akt erledigt werden kann.

Das Vaterfeststellungsverfahren nach § 150 wird nur über Antrag des Kindes eingeleitet. Diese Beschränkung dient dazu, dass ein zweiter Mann sich nicht in intakte Familien drängt.

Parteien des „Vätertauschverfahrens“ sind nach § 82 Abs 2 AußStrG neben dem Kind, dem Antragsgegner und allfälligen Rechtsnachfolgern auch die Mutter (sofern sie entscheidungsfähig sowie am Leben ist) und der Mann, dessen Vaterschaft verdrängt werden soll.

Materielle Anspruchsgrundlage bleibt auch im „Vätertauschverfahren“ § 148 ABGB. Das bedeutet, das Kind kann entweder den positiven Abstammungsbeweis führen oder sich auf den Beweis der Beiwohnung stützen.

Gegenstand des Verfahrens nach § 150 ist somit die Feststellung, dass das Kind vom Antragsgegner abstammt. Die antragstattgebende Entscheidung hat die Wirkung, dass das Kind vom belangten Vater abstammt. Ex lege bedeutet dies die Feststellung der Nichtabstammung vom bisher als Vater feststehenden Mann. Diesen Umstand hat das Gericht (für die Rechtsfolge deklarativ) auszusprechen.

Der Vätertausch wirkt auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes zurück. Ein vorangegangenes Anerkenntnis, auf dem die Vaterschaft des bisherigen Vaters beruhte, tritt außer Kraft.

Für die Unterhaltspflicht maßgeblich ist das rechtliche Abstammungsverhältnis. Der Scheinvater ist dem Kind zu Unterhalt verpflichtet, solange er rechtlich als Vater feststeht. Nach der Beseitigung des rechtlichen Abstammungsverhältnisses kann er allerdings beim wahren Vater Regress nehmen.

Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter gemäß § 151 ABG

Abschließend kann auf Antrag des Kindes oder auf Antrag des Mannes auch noch die gemäß § 144 Abs 1 Z 1 ABGB ex lege eingetretenen Vaterschaft des Ehemannes der Mutter beseitigt werden.

Das Verfahren zur Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter wird nur auf Antrag des Kindes oder des als Vater geltenden Ehemannes der Mutter eingeleitet.

Die Mutter hat kein Antragsrecht, ist aber zufolge der ausdrücklichen Anordnung des § 82 Abs 2 AußStrG Partei des Abstammungsverfahrens.

Der (vermeintlich) biologische Vater hat weder ein Antragsrecht, noch Parteistellung; er ist auf den Weg der Anerkennung der Vaterschaft nach § 147 Abs 2 ABGB verwiesen.

Der Beweis der (Nicht-)Vaterschaft erfolgt vorzugsweise durch ein DNA-Gutachten, aber auch ein blutserologisches oder erbbiologisch-anthropologisches Gutachten kommt in Betracht.

In Abstammungsverfahren ist zwingend mündlich zu verhandeln. Ein Verstoß dagegen stellt einen schweren Verfahrensmangel dar.

Im Verfahren um die Feststellung einer Nichtabstammung hat der Antragsteller jedenfalls an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Erscheint der Antragsteller nicht zur mündlichen Verhand-lung, so hat das Gericht den Antrag auf Verlangen des Antragsgegners als ohne Verzicht auf den An-spruch für zurückgenommen zu erklären.

Vergleiche und Anerkenntnisentscheidungen sind im Abstammungsverfahren verboten, weil den Parteien über Statussachen, die auch das öffentliche Interesse betreffen, keine Dispositionsmöglich-keit eingeräumt werden soll.

Für Anträge, die nach dem 30.6.2015 gestellt werden, gilt nach Anmerkung 11 lit c zu TP 12 Gerichts-gebührengesetz Gebührenfreiheit; dies gilt auch für volljährige Antragsteller.

Grundsätzlich besteht auch im außerstreitigen Verfahren Kostenersatzpflicht. Im Abstammungsver-fahren findet jedoch gemäß § 83 Absatz 4 AußStrG kein Kostenersatz statt, wenn das Kind zum Zeit-punkt der Antragstellung minderjährig ist. Damit soll iSd Rechtsfürsorgegedankens ein adäquater Schutz Minderjähriger sichergestellt werden.

 

Sollte einer der Beteiligten bereits vorverstorben sein, kann die Feststellung der Abstammung, deren Änderung oder die Feststellung der Nichtabstammung gemäß § 142 ABGB auch von den Rechtsnachfolgern oder gegen diese bewirkt werden.

Aus welchem Grund auch immer es dazu kommen mag, dass die Abstammung von einem Mann oder die Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter gerichtlich festzustellen oder ein „Vätertausch“ vorzunehmen ist, es empfiehlt sich jedenfalls, vorab einen Rechtsanwalt zu konsultieren. Wir unterstützen Sie in dieser oftmals angespannten familiären Situation gerne und stehen Ihnen mit rechtlichem Rat zur Seite.

Quellen:
Nademleinsky in Schwimann/Neumayr, ABGB: Taschenkommentar zu § 148 ABGB
Nademleinsky in Schwimann/Neumayr, ABGB: Taschenkommentar zu § 150 ABGB
Bernat in Schwimann/Kodek, ABGB: Praxiskommentar, § 150 ABGB
Nademleinsky in Schwimann/Neumayr, ABGB Taschenkommentar zu § 151 ABGB
Deixler-Hübner in Rechberger/Klicka, Außerstreitgesetz: Kommentar zu § 83 AußStrG
Kolmasch, Kindesunterhalt (Stand 04.9.2022, Lexis Briefings in lexis360.at)

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