Ilijana Anic,
März 2025
Ehevertrag und Vermögensaufteilung – Wann kann eine Vorausvereinbarung angepasst werden ?
Die Aufteilung des gemeinsamen Vermögens sorgt bei einer Scheidung oft für Konflikte, insbesondere in Hinblick auf die Ehewohnung. In einem Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH | 1 Ob 95/24p | 24.10.2024) wurde die Frage behandelt, ob eine sogenannte „Vorausvereinbarung“ im Aufteilungsverfahren Bestand hat. Doch was hat es mit einer Vorausvereinbarung auf sich?
Die Frau brachte eine Liegenschaft in die Ehe ein, auf der während der Ehe ein Wohnhaus gebaut wurde. 2015 vereinbarten die Ehegatten in einem Notariatsakt, im Falle einer Scheidung auf eine Ausgleichszahlung für die Ehewohnung zu verzichten und das eheliche Gebrauchsvermögen aufzuteilen. 2018 wurde die Ehe geschieden und der Mann verlangte eine Ausgleichszahlung für das Wohngebäude.
Vorausvereinbarung zur Vermögensaufteilung und Billigkeitskorrektiv
Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass es sich bei dieser Vereinbarung um eine formgültige Vorausvereinbarung im Sinne des § 97 Abs. 1 Ehegesetz (EheG) handelte. Laut § 97 Abs. 2 EheG kann von solchen Vereinbarungen nur abgewichen werden, wenn sie eine der Parteien in der Gesamtbetrachtung des Vermögens unbillig benachteiligen. Die Vorinstanzen hielten den Verzicht auf eine Ausgleichszahlung für das Wohnhaus für bindend.
Der OGH entschied jedoch, dass die Vorausvereinbarung ausschließlich die rechtliche Zuweisung der Ehewohnung regelt und daher nicht mehr geändert werden kann. Eine Vereinbarung über den Ausgleich für die „Errungenschaft“, also den Beitrag des Mannes zum Hausbau, betrifft jedoch die Vermögensaufteilung und fällt unter das Billigkeitskorrektiv des § 97 Abs. 2 EheG.
Sittenwidrigkeit
Das Gericht kann prüfen, ob das Ergebnis der Vereinbarung fair ist oder ob es zu einer unzumutbaren Benachteiligung einer der Parteien führt. Dies geschieht durch einen Vergleich der Vermögensaufteilung mit und ohne Berücksichtigung der Vereinbarung („Kontroll- oder Parallelrechnung“). Wird einer der Ehegatten durch die Vereinbarung deutlich benachteiligt, kann das Gericht die Vereinbarung so anpassen, dass das Ergebnis nicht mehr unzumutbar ist.
Fazit
Das Urteil des OGH betont, dass eine Vorausvereinbarung zur Zuordnung der Ehewohnung
grundsätzlich verbindlich ist. Vereinbarungen über den Ausgleich ehelicher Errungenschaften können jedoch vom Gericht unter Berücksichtigung der Billigkeit überprüft und gegebenenfalls abgeändert werden.
Die Kanzlei Dr. Leitinger & Dr. Leitinger GmbH steht Ihnen jederzeit gerne bei eherechtlichen Angelegenheiten zur Seite.
Ilijana Anic
Quelle: OGH-Entscheidung vom 24. Oktober 2024 |1 Ob 95/24